"Wachet und betet"

Am Taizé-Treffen in Prag nehmen 30.000 junge Christen teil

01. Januar 2015

Am Taizé-Treffen in Prag nehmen 30.000 junge Christen teil

Prag (epd). Die riesigen Messehallen erheben sich auf offenem Feld, etliche Kilometer außerhalb der Prager Altstadt. Schmucklose Industriearchitektur ist es, die in diesen Tagen zu einer improvisierten Kirche umfunktioniert wird: In jeder Halle steht vorn ein riesiges Kreuz, auf langen Stoffbahnen gemalte Bilder sollen die Atmosphäre ein wenig heimelig machen.

Hierhin sind sie unterwegs, die insgesamt 30.000 Teilnehmer des Taizé-Jugendtreffens. Schon vor dem ersten Abendgebet am Montagabend pilgerte ein nicht abreißender Strom von jungen Leuten von der U-Bahn-Station aus durch das Schneetreiben, um einen guten Platz zu ergattern

"Was die jungen Leute anschließend nach Hause mitnehmen sollen, ist die Motivation, in ihrer Kirchengemeinde die Gemeinschaft zu erleben", sagt Philipp. Der Student aus Stuttgart ist einer der Freiwilligen, die seit Monaten in der tschechischen Hauptstadt sind, um das große Jugendtreffen vorzubereiten.

Aus mehr als 65 Ländern kommen die Teilnehmer, die in Gastfamilien und in Prager Schulen untergebracht sind. Vielen von ihnen, so hofft Philipp, werde es ähnlich gehen wie ihm selbst: "Ich habe in Taizé eine Art innere Freude gefunden. Das möchte ich hier in Prag mit den Besuchern teilen, deshalb mache ich hier mit."

Die ökumenische Taizé-Bruderschaft, zu der rund 100 Brüder gehören, ist vor allem durch ihre Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen bekannt geworden. Seit 1978 lädt sie zu einem jährliches Jugendtreffen, das stets über Neujahr in einer anderen Stadt veranstaltet wird.

Zu den wichtigsten Programmpunkten zählen die täglichen Abendgebete in den Prager Messehallen, so wie am Eröffnungsabend: Nach und nach füllen sich die riesigen Räume, die Jugendlichen setzen sich auf den Betonboden. Vorne, rund um das große Kreuz, knieen einige Brüder von Taizé, gehüllt in ihren weißen Habit. Neben ihnen hat sich eine Band aufgebaut, die weithin zu hören ist.

Die eingängigen Gesänge wie "Wachet und betet" sind längst in vielen Sprachen zum Markenzeichen von Taizé geworden. "In diesen Tagen beten wir für die Völker der Ukraine, im Mittleren Osten und anderswo, die unter Gewalt und Krieg leiden", sagt Frère Alois Löser in seinem Gebet. Er ist der Prior der ökumenischen Gemeinschaft. Wegen der Krise in der Ukraine, sagt er, gewinne das Treffen auch eine stärkere politische Dimension.

Rund 2.400 Teilnehmer aus der Ukraine sind in Prag dabei, dazu etliche 100 junge Menschen aus Russland und Weißrussland. "Einer der Brüder von Taizé hat zu mir gesagt: 'Wenn du hier dabei bist, bist Du das Gesicht der Ukraine'", sagt Julia, eine junge Frau aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew. "Für mich ist das hier eine großartige Chance zu zeigen, dass wir eine europäische Nation sind, dass wir in Frieden leben und unsere Tradition und Kultur mit anderen teilen wollen. Taizé ist ein sehr warmer Ort, wo man sich wie zu Hause fühlt. Und das sind nicht nur Worte: Ich habe wirklich das Gefühl, dass wir alle Brüder und Schwestern sind." Sie werde in Prag ganz besonders für den Frieden beten, fügt sie dann hinzu.

Während des Jugendtreffens sind die Teilnehmer auch in Prager Kirchengemeinden eingebunden. Zum Programm gehören außerdem zahlreiche Workshops. Sie erörtern Fragen wie "Was bedeutet es in der heutigen Gesellschaft, das 'Salz der Erde' zu sein" oder "Wie lässt sich die Verständigung zwischen Gläubigen verschiedener Religionen unterstützen?". Andere Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit der Glaubwürdigkeit von Politik oder der besseren gesellschaftlichen Integration von Behinderten. Täglich finden Mittagsgebete in den Messehallen, aber auch im Veitsdom, sowie weiteren 17 Kirchen im Prager Stadtzentrum statt.

Ein Höhepunkt der Veranstaltung war der Silvester-Gottesdienst im Veitsdom, an dem auch der Prager Kardinal Dominik Duka teilgenommen hat. Das tschechische Fernsehen übertrug die Feier live. Am Freitag (2. Januar) geht das europäische Jugendtreffen dann mit einem gemeinsamen Morgengottesdienst zu Ende.