Der "Apostel Schwabens" starb im Schweizer Exil

Ambrosius Blarer hat die Reformation im süddeutschen Sprachraum nachhaltig geprägt

13. Dezember

Historischer Rheintorturm, dahinter der Münsterturm am Abend, Konstanz

Ambrosius Blarer (1492-1564) galt schon zu Lebzeiten als "Apostel Schwabens". Er hat Reichsstädte im süddeutschen Sprachraum reformiert und gestaltete ab 1534 das südliche Württemberg unter schwierigsten äußeren Bedingungen im Sinne des neuen Glaubens um. Auf ihn gehen die typische schlichte Gottesdienstform und die Bilderarmut in Württembergs Kirchen zurück. Von Blarer stammen viele Kirchenliedern, er hat Bekenntnisschriften verfasst und die Reformation im süddeutschen Kulturraum entscheidend geprägt.

Blarer folgte stets seinem Gewissen und seiner Überzeugung. Wegen seiner vermittelnden Haltung zwischen den verschiedenen Richtungen der Reformation saß er schließlich aber zwischen allen Stühlen. Er fiel am württembergischen Herzogshof in Ungnade und wurde 1538 entlassen. Aus Konstanz musste er zehn Jahre später vor der Gegenreformation fliehen, er wirkte dann als evangelische Pfarrer im Schweizer Exil und starb am 6. Dezember 1564 - vor 450 Jahren - in Winterthur.

Blarer entstammt der angesehenen Konstanzer Patrizierfamilie "Blarer von Giersberg". Geboren wurde er am 4. oder am 12. April 1492. Er studierte ab 1505 in Tübingen und lernte dort Philipp Melanchthon kennen. Unter dem Einfluss seiner frommen Mutter trat er in das Benediktinerkloster Alpirsbach ein, dort stieg er rasch bis zum Prior (Stellvertreter des Abtes) auf. Durch die Lektüre von Schriften Martin Luthers kam er zum evangelischen Glauben, geriet - weil er aus seiner Überzeugung kein Hehl machte - rasch in Schwierigkeiten, so dass er am 5. Juli 1522 das Kloster verließ und nach Konstanz zurückkehrte.

In Konstanz, damals Reichsstadt und Bischofssitz, wurde er der Kopf der Reformation. Er gestaltete das kirchliche und öffentliche Leben durchgreifend um, indem er etwa die evangelische Liturgie in Gottesdiensten einführte, die Klöster in der Stadt aufhob und die zahlreichen Prozessionen, Umzüge und Feiertage abschaffte. In anderen Reichsstädten wurde man auf ihn aufmerksam: Von 1528 bis 1540 war Blarer als "Apostel Schwabens" fast ununterbrochen unterwegs. Er wirkte in schwäbischen Reichsstädten, etwa in Memmingen und Ulm, Esslingen, Isny und Lindau, aber auch in Gebieten der heutigen Schweiz und - ab 1534 - im soeben für die Sache der Reformation gewonnenen Herzogtum Württemberg.

Das Land nahe der Schweiz war beiden Lagern der Reformation verpflichtet: Den Nordteil gestaltete der Lutheraner Erhard Schnepf um, den Süden des Landes Ambrosius Blarer, der dem Schweizer Reformator Zwingli nahestand. Differenzen waren daher unausweichlich. Blarer und Schnepf konnten sich zwar anfangs auf eine "Stuttgarter Konkordie" in der Abendmahlsfrage einigen, und Blarer setzte seine Auffassung in der Bilderfrage durch. Doch gelang es ihm nicht, die Universität Tübingen - ein Hort der Altgläubigen - zu reformieren. Schließlich schien der Vermittler Blarer entbehrlich: Am 30. Mai 1558 wurde er aufgrund einer Intrige bei Hof - an ihr war unter anderen Philipp Melanchthon beteiligt - in Ungnaden entlassen.

In Konstanz arbeitete Blarer an einem Gesangbuch und am Aufbau des Schulwesens. Im Schmalkaldischen Krieg ermutigte er die Stadt zum Widerstand gegen Kaiser Karl V. Das führte dazu, dass sie ihre Reichsfreiheit verlor. Der Protestantismus in Konstanz wurde ausgerottet. Blarer musste 1548 fliehen: Er fristete von da an sein Leben als Prediger in mehreren Orten der Schweiz. Blarer war seit 1533 mit der früheren Nonne Katharina Ryf verheiratet und hatte mit ihr vier Kinder, von denen jedoch nur der Sohn Gerwick die Kindheit überlebte.

Blarer hat sich auch als Dichter von Kirchenliedern einen Namen gemacht, von ihm sind 22 Lieder bekannt. Darunter befindet sich das älteste evangelische Kirchenlied überhaupt ("Wie's Gott gefällt, so gfällts auch mir, ich laß mich gar nicht irren"), es ist bereits in seiner Zeit als Mönch in Alpirsbach entstanden. Zwei seiner Lieder befinden sich im Evangelischen Gesangbuch: "Jauchz, Erd, und Himmel, juble hell" (EG 127) und "Wach auf, wach auf, 's ist hohe Zeit" (EG 244). (epd)