Transformation. Nachhaltigkeit. Kirche

Weltweite Auslandspfarrkonferenz in Berlin-Spandau

22. Juli 2014

Auslandspfarrkonferenz in Berlin-Spandau

Beinahe zeitgleich mit der erfolgreichen deutschen Fußballmannschaft landeten am 15.7.2014 sechsundachtzig Pfarrerinnen und Pfarrer aus den deutschsprachigen Gemeinden weltweit in Berlin. Dort trafen sie sich zur Auslandspfarrkonferenz (APK) im Johannesstift in Berlin-Spandau. Nach dem feierlichen Eröffnungsgottesdienst mit Bischöfin Bosse-Huber war vier Tage lang Zeit zum Hören von Vorträgen, zum engagierten Diskutieren, zur Arbeit in Workshops, zur kollegialen Beratung und zum Feiern von Andachten, in denen die unterschiedlichen Realitäten der entsandten Pfarrerinnen und Pfarrer lebendig wurden. Die Teilnehmenden wurden in Gedanken durch die verschiedenen Zonen des besetzten Hebron mitgenommen. Sie kamen ins Nachdenken darüber, warum Wahrheit in Asien ganz anders verstanden werden kann, als die europäischen „Langnasen“ es sonst tun. Sie hörten, was das Erdbeben von Lissabon im 18. Jahrhundert mit der Gründung der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde dort zu tun hatte.

Thematisch hat sich die Konferenz der Rolle von Kirche gewidmet, die sie bei der Transformation der Gesellschaft spielen kann. Am Mittwoch lag der Fokus auf der Diskussion um den gerechten Frieden.  Prof. Dr. Michael Haspel stellte das Konzept des gerechten Friedens als friedensethisches Leitbild der EKD dar. Er betonte, dass zur Erhaltung des Rechts manchmal Gewalt als ultima ratio nötig sei. Es sei aber unabdingbar, genaue Kriterien für den Einsatz von Gewalt zu haben. Demgegenüber hob Prof. Dr. Konrad Raiser die Notwendigkeit hervor, aktiv Frieden zu schaffen und nicht nur auf Gewalt zu reagieren. Vorhandene Konflikte sollten gewaltfrei transformiert werden. Dabei beschreibe gerechter Friede aus der Perspektive des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) keinen Zustand, sondern einen Weg, auf dem die Kirchen beständig weitergehen müssten. Sie täten das im Vertrauen darauf, dass Gott vollendet, was sie beginnen. Auf dem Hintergrund der unterschiedlichen Erfahrungen der Pfarrerinnen und Pfarrer an ihren Entsendungsorten wurden die beiden Konzepte dann diskutiert. Was bedeutet gerechter Friede in einem Land wie Venezuela, wo die unterschiedlichen politischen Lager den Begriff Gerechtigkeit ganz unterschiedlich füllen? Welche Bedeutung haben friedensethische Diskussionen in afrikanischen Ländern, wo sich die Frage nach Gerechtigkeit unmittelbar in den Vordergrund drängt? Auch der Gedanke des „Pilgerwegs der Gerechtigkeit und des Friedens“, der bei der Vollversammlung des ÖRK in Busan zentral war, kam zur Sprache. Er wurde nachmittags in Kleingruppen im Blick darauf konkretisiert, was deutschsprachige Gemeinden weltweit für Gerechtigkeit und Frieden tun können oder bereits tun.

An diese Überlegungen schlossen sich die Vorträge zum Thema „lebensdienliches Wirtschaften“ organisch an. Prof. Dr. Edward Skidelsky sprach sich für Eigentum als ethisches Konzept aus. Jeder Mensch brauche Eigentum, um eine gewisse Unabhängigkeit und Wahlfreiheit zu haben. Für die gerechte Verteilung des Eigentums müsse der Staat sorgen, etwa in Form von einem steuerfinanzierten Grundeinkommen. Prof. Dr. Traugott Jähnichen fragte in seinem Vortrag nach christlichen Impulsen für eine Moralisierung der Märkte. Die grenzenlosen Interessen und Bedürfnisse des Menschen würden zu einem ökonomischen Wachstumszwang führen. Sie könnten aber einerseits durch kritische Konsumentengruppen, andererseits durch von der Politik gestaltete Rahmenordnungen eine heilsame Begrenzung erfahren. Auch diese philosophischen und theologischen Überlegungen wurden auf dem globalen Hintergrund im Plenum diskutiert und in Kleingruppen vertieft.

Nicht zuletzt bot die Konferenz den Pfarrerinnen und Pfarrern die Möglichkeit, einen Entwurf für eine kirchengesetzliche Verankerung der Mitbestimmung der Auslandspfarrerinnen und –pfarrer zu erarbeiten. Damit sollen in Zukunft offizielle Regelungen dafür bestehen, wie die Pfarrerinnen und Pfarrer ihre Anliegen gebündelt gegenüber dem Kirchenamt der EKD vertreten können. Der Entwurf muss nun in die zuständigen Gremien der EKD eingebracht werden. Schon jetzt gibt es das nicht gesetzlich verankerte Amt des Vertrauenspfarrers bzw. der Vertrauenspfarrerin: Pfarrerin Gesine Beck aus Paris und Pfarrer Marc Reusch aus Mexiko wurden dafür gewählt.

Den feierlichen Abschluss der Konferenz bildeten ein Gesprächsabend mit dem Vorsitzenden des Rates der EKD, Dr. h.c. Nikolaus Schneider, und der Fernsehgottesdienst im Berliner Dom zum siebzigjährigen Gedenken an das Attentat auf Hitler am 20.7.1944.