Dorfladen als „Rollator-Treff“

Kleine Gemeinden auf dem Land müssen etwas unternehmen

17. Juli 2014

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Gießen (epd). Hans-Helmut Häfner wollte eigentlich mit 66 in Rente gehen. Er hatte einen großen Lebensmittelmarkt geführt. Doch dann suchte die Gemeinde Lörzweiler bei Mainz einen Pächter für ihren neuen Dorfladen, und Häfner machte mit: Seit sechs Jahren läuft der Laden erfolgreich. "Ich habe auf Frische gesetzt", erzählt der 72-Jährige. Bei ihm gibt es Wurst, Fleisch, Backwaren, Obst und Gemüse von den Bauern im Dorf oder Wein von den Weinbauern der Umgebung. Auf einer Tagung in Gießen berichteten Häfner und andere über Dorfladen-Projekte, die dafür sorgen, dass alte Menschen sich auch auf dem Land lange zu Hause wohlfühlen können.

Viele Dorfläden scheiterten, weil sie ehrenamtlich betrieben werden, ist Häfner sicher. "Die Leute stellen sich das ziemlich leicht vor und sehen nicht die Arbeit, die hintendran steht." In Lörzweiler hat die Gemeinde die Einrichtung des Ladens finanziert; Häfner zahlt eine umsatzabhängige Pacht. "Hauptsache, wir haben einen Laden im Dorf", sagt Bürgermeister Alois Kremer. Der Laden habe das Dorf verändert: "Er zieht die Leute an." Kremer nennt den Laden scherzhaft "Rollator-Treff".

In Laubach-Freienseen am Rande des Vogelsbergs soll es auch bald einen Dorfladen geben. Und ein Café. Und eine Tagespflege für Ältere, eine Dorfwerkstatt und auch einen Begegnungsraum. Ein Förderverein hat die alte Schmiede und einen Bauernhof gekauft. Die Baugenehmigung sei erteilt, erzählt der frühere Pfarrer Ulf Häbel, der Ausbau solle Mitte nächsten Jahres fertig sein. Ein Arzt sei schon gefunden, der in einem Raum eine Sprechstunde anbietet. Ein Krankengymnast werde hinzukommen.

Die Idee, dass sich die Generationen gegenseitig helfen, will die Gemeinde Dessighofen in Rheinland-Pfalz vorantreiben. Ein lange geplantes Neubaugebiet soll nach dem "Prinzip des Füreinander-Daseins" bebaut werden, sagt Bürgermeister Wilfried Ilgauds. Erster Schritt ist ein barrierefreies, nur 70 Quadratmeter großes Musterhaus mit kleinem Garten: Die Idee sei vier Jahre alt, erzählt Ilgauds, "aber wir haben im Dorf keinen Mutigen gefunden". Nun baut die Gemeinde selbst. "Wir wollen eine zufriedene Atmosphäre schaffen, damit die Leute lange bleiben."

Zwei Drittel der Leute wollten im Alter zu Hause wohnen bleiben, sagt Christian Schwindt, Geschäftsführer des "Netzwerks Leben im Alter" der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Damit das gelinge, seien ein "stabiles Netz" und "gelingende Nachbarschaftshilfe" nötig.