Der Mann mit Jeansweste und Bürstenschnitt

Früherer Leipziger Pfarrer Christian Führer ist tot

30. Juni 2014

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Leipzig (epd). Erst vor einer Woche ist der Leipziger Nikolaikirchenpfarrer Christian Führer für seine Verdienste im Herbst 1989 mit dem Deutschen Nationalpreis ausgezeichnet worden. Zur Preisverleihung in Berlin schickte er wegen seines angeschlagenen Gesundheitszustandes seine Tochter. Eine knappe Woche später starb der evangelische Theologe am Montagvormittag im Alter von 71 Jahren in der Notaufnahme der Leipziger Universitätsklinik gestorben. Er war bereits bei der Einlieferung tot, wie die Klinik mitteilte.

Der ehemalige Pfarrer der Nikolaikirche, der 2008 in Ruhestand ging, litt seit knapp zwei Jahren an einer Lungenfibrose, einer Erkrankung des Lungengewebes. Wegen der knapper werdenden Luft hatte der prominente Theologe zuletzt nur noch wenige öffentliche Auftritte.

Der in der Öffentlichkeit stets in Jeansweste und mit Bürstenschnitt auftretende Geistliche war im Herbst 1989 einer der prominentesten Akteure der friedlichen Revolution und wurde so nicht nur in Deutschland zu einem der bekanntesten Pfarrer. Führers Anfang der 1980er Jahre gestarteten Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche, immer montags 17 Uhr, waren bereits in frühen Jahren ein Podium für oppositionelle kirchliche Gruppen. Ab 1989 entwickelten sie sich endgültig zum Sprachrohr und Schutzraum für alle diejenigen, die Veränderungen in der DDR einforderten.

Trotz immensen staatlichen und auch teils innerkirchlichen Drucks und eingestandener eigener großer Ängste hielt Führer an dem Konzept fest. Ab September 1989 wurden die Friedensgebete schließlich zum Ausgangspunkt der Leipziger Montagsdemonstrationen. Die berühmteste Demonstration am 9. Oktober 1989 mit rund 70.000 Teilnehmern brachte die DDR endgültig ins Wanken. "Lebensgefährlich war es", erinnerte sich der Pfarrer später.

Geboren 1943 in Leipzig, wuchs Christian Führer in einer Pfarrersfamilie auf. Nach dem Abitur studierte er Theologie in Leipzig. Danach arbeitete der evangelische Seelsorger unter anderem im sächsischen Colditz, bevor er 1980 an die Nikolaikirche kam.

Auch nach der friedlichen Revolution blieb Führer als Pfarrer an der Leipziger Nikolaikirche. Und er blieb unbequem. So setzte er sich bei neuen Montagsdemonstrationen gegen die Hartz-IV-Gesetze und für soziale Belange ein. Zu Protesten gegen den Irakkrieg kamen im Jahr 2003 bis zu 40.000 Menschen. Mahnwachen vor der Kirche im Jahr 2006 für zwei im Irak entführte Ingenieure wurden sogar im arabischen Fernsehen übertragen.

Für sein Engagement wurde Führer in den vergangenen Jahrzehnten mit Preisen überhäuft. So bekam er 1991 die Theodor-Heuss-Medaille verliehen, gemeinsam mit dem heutigen Bundespräsidenten Joachim Gauck. 2005 wurde er zusammen mit Michail Gorbatschow mit dem Augsburger Friedenspreis geehrt.

Obwohl er nie ein Buch schreiben wollte, "ein Predigtschreiber ist etwas anderes als ein Buchschreiber", erschien 2009 seine Biografie unter dem Titel "Und wir sind dabei gewesen. Die Revolution, die aus der Kirche kam". Im gleichen Jahr gründete Führer auch die gleichnamige Stiftung Friedliche Revolution. Sie unterstützt zum Beispiel internationale Jugendprojekte oder zeichnet Filme während des Dokumentarfilm-Festivals Dok Leipzig aus.

"Die Stiftung war wichtig, damit wir die friedliche Revolution nicht wie ein Stück museumswerten Gegenstand behandeln, wo man einmal im Jahr am 9. Oktober den Vorhang mal zur Seite zieht und dann bewundert", erklärte der Theologe. Im vergangenen August traf ihn ein schwerer Schicksalsschlag, als seine Frau Monika an den Folgen einer Krebserkrankung starb. Seitdem verschlechterte sich auch sein eigener Zustand immer weiter.