Der Krisenpastor

Mundartpfarrer aus Norddeutschland betreut deutsche Protestanten in Kairo

13. Dezember 2012

Mundartpastor Dirk Römmer betreut deutschsprachige Evangelische Gemeinde in Kairo

Kairo (epd). "Man kann schon sagen, dass hier mehr los ist, als bei mir zu Hause". Diese Bemerkung ist typisch für Dirk Römmer - trockener Humor vom Feinsten. Der 69-Jährige ist pensionierter Mundartpastor und lebt sonst auf der Halbinsel Eiderstedt an der Nordsee. Im Moment allerdings betreut er die deutschsprachige Evangelische Gemeinde in Kairo.

Römmer bringt so leicht nichts aus der Fassung - das ist gut. Denn in Ägypten ist Krise. Seit der ägyptische Präsident Mohammed Mursi Mitte November ein Dekret erlassen hat, das ihm sehr weitgehende Rechte verleiht, wird Ägypten von Protesten erschüttert: Fast täglich gibt es Großdemonstrationen gegen den Präsidenten und fast täglich halten dessen Unterstützer mit Kundgebungen dagegen.

"Die beiden Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber und der Hass ist unheimlich", sagt Römmer. Er schaue mit Sorgen in die Zukunft: "Es scheint absehbar, dass die Regierung jetzt alles daran setzt, Ägypten zu islamisieren und das wird natürlich zu einer erheblichen Einschränkung der Freiheiten führen", befürchtet er.

Dirk Römmer wusste, dass ihn kein ruhiger Posten erwartet, als er im Frühjahr zusagte, für ein halbes Jahr in der Gemeinde in Kairo eine Vakanzvertretung zu übernehmen. Aber dass es so aufregend werden würde, hatte er dann doch nicht erwartet. Gleich am ersten Tag wurde er auf der Straße überfallen. Ein Motorradfahrer riss ihm die Tasche von der Schulter und verschwand mit Pass, Brille und Adressbuch.

"Naja, immerhin bin ich unversehrt geblieben. Das ist die Hauptsache", bemerkt er lakonisch. Kaum hatte er die ersten Gottesdienste gefeiert und den neuen Kirchenvorstand eingeführt, standen tausende Islamisten vor der US-Botschaft. Sie kletterten über die Mauer und tauschten das Sternenbanner gegen die schwarze Fahne des Terrornetzwerks Al-Kaida aus.

Tage der Sorge folgten. "Aber es ist hier in Kairo wie auch anderswo: Wenn irgendwo in der Stadt Unruhe ist, dann ist nicht unbedingt die ganze Stadt davon betroffen", erklärt Römmer. Die Krise jetzt sei anders. Zwar ist es auch in Römmers Wohngegend ruhig, doch die Menschen haben sich verändert. Der Protest gegen Mursi und die Angst, dass er mit der Muslimbruderschaft Ägypten in eine neue Diktatur steuern könnte, bringt auch die Mittelschicht auf die Straße.

Auch vor der Gemeinde macht die Krise nicht Halt. Besonders betroffen ist die Deutsche Evangelische Oberschule, die unter der Trägerschaft der Gemeinde ist: Die große Mehrheit der Schüler sind Ägypter. Natürlich ist die politische Situation auch auf dem Schulhof Thema. "Die Menschen machen sich große Sorgen", erzählt Römmer. Mehrfach fiel die Schule aus.

Auch ohne Krise ist die Arbeit des Pastors auf Zeit eine echte Herausforderung. Die Gemeinde in der Metropole Kairo ist klein, ihre Mitglieder wohnen im ganzen Stadtgebiet verstreut. Zum Sonntags-Gottesdienst in die 100-jährige Kirche im Stadtzentrum kommen nur wenige.

Kein Wunder, Sonntag ist in Ägypten Arbeitstag und so feiert die Gemeinde oft am Freitag und trifft sich an ungewöhnlichen Orten: in einem Wüstental zum Sonnenuntergang etwa. Ein Felsblock dient dann als Altar und statt auf Kirchenbänken sitzt die Gemeinde auf Flickenteppichen. Nach dem Gottesdienst gibt es Lagerfeuer und Brezeln.

"Natürlich sind viele auch Mitglied der Gemeinde, weil sie sich mit anderen Deutschen treffen wollen. Das ist immer so bei Auslandsgemeinden", weiß Römmer. Wie es in Ägypten weitergeht, hängt auch davon ab, was aus der Gemeinde wird. Sie besteht zum großen Teil aus Familien und Berufstätigen, die für einige Jahre an den Nil gekommen sind.

Wenn die Krise anhält oder sich verschärft, werden viele womöglich das Land verlassen. "Es ist eine sehr aufregende Zeit, aber ich freue mich auch schon darauf, wieder in mein altes Leben zurückzukehren", sagt Römmer. Seine Erlebnisse und Eindrücke will er zu einem Buch verarbeiten. "Moses und Icke in Ägypten" soll es heißen. Wie alles, was er schreibt, wird es auf Plattdeutsch erscheinen. Eigentlich hätte er auf der Suche nach Moses natürlich den Mosesberg besuchen müssen. Doch daraus wird nichts. Derzeit wird von Reisen auf den Sinai abgeraten, krisenbedingt.