Stadt der Pfefferkuchen

Die Pulsnitzer Pfefferküchler haben in diesen Wochen Hochsaison

15. Dezember 2012

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Pulsnitz (epd). Sachsens kulinarische Leuchttürme liegen dicht beieinander: Von der Christstollen-Stadt Dresden führt der Weg ostwärts durchs Bierstädtchen Radeberg hin zur Senfstadt Bautzen. Und mittendrin eine Rarität: Pulsnitz - Deutschlands Pfefferkuchenstadt, geduckt in ein gemütliches Tal der Oberlausitz. Die Pulsnitzer Pfefferkuchen sind in Sachsen legendär; inzwischen hat sich ihr Ruf auch über die Landesgrenzen hinaus verbreitet.

Sie sind das Aushängeschild des Städtchens, obwohl von den 7.700 Einwohnern lediglich knapp 100 in der Pfefferkuchenbranche arbeiten. Acht handwerkliche Pfefferküchlereien und eine Lebkuchenfabrik gibt es hier. Einer der traditionsreichsten Betriebe ist die Pfefferküchlerei Karl Handrick. Inhaber Lutz Tenne (66) empfängt etwas in Eile, denn in diesen Wochen läuft die Bäckerei auf Hochtouren.

Im gesamten Haus riecht es würzig-süß. Das sei das Hirschhornsalz, eines der Triebmittel beim Pfefferkuchenbacken, sagt Tenne. Er führt an der Ladentheke vorbei in die Backstube, die seit kurzem Sohn Sören leitet. Dort stehen an den Wänden Regale voller Teig. In der Mitte erstreckt sich ein langer Arbeitstisch, an dem drei Mitarbeiterinnen gerade das beliebteste Produkt des Hauses herstellen: "Unsere Schokospitzen - die sind der Renner", sagt Lutz Tenne. "Heute ist der Wochentag, an dem sie gefüllt werden."

Sohn Sören hat die großflächigen Roh-Pfefferkuchen mit einer Art Kreissäge baguetteartig zugeschnitten. Jetzt kommt ein Gerät zum Einsatz, das einem Staubsauger ähnelt - nur dass hier nicht gesaugt, sondern gespritzt wird: nämlich Konfitüre. Die Pfefferkuchenbaguettes werden wie ein Sandwich zugedeckt und in Streifen geschnitten. Am nächsten Tag läuft dann die Schokoladenmaschine und die "Spitzen" erhalten ihren süßen Überzug.

Die gefüllten Spitzen sind nur eine Variante der Pulsnitzer Pfefferkuchen: Andere Klassiker sind etwa das Alpenbrot oder die weißgezuckerten "Pflastersteine". Bei aller Verschiedenheit eint sie ein ähnlicher Grundgeschmack: Alle bestehen aus einem Grundteig aus Mehl und Honig oder Sirup, der am besten mehrere Wochen oder Monate lagert. Das macht die Pfefferkuchen so bekömmlich. Ganz wichtig ist die traditionelle, streng geheime Gewürzmischung des jeweiligen Pfefferküchlers. In Pulsnitz schwört man seit Generationen auf neun Gewürze: Zimt, Kardamom, Koriander, Anis, Piment, Muskat, Muskatblüte, Ingwer und Nelken.

Pfeffer sucht man unter den Zutaten allerdings vergeblich. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit wurden alle exotischen Gewürze als "Pfeffer" bezeichnet. Der Begriff Pfefferkuchen hat sich nur in ostdeutschen Regionen erhalten. Im Rest des Landes spricht man meist von Honigkuchen, Magenbrot oder Lebkuchen. Am bekanntesten sind die Lebkuchen aus Nürnberg, deren Geschichte sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, und die Aachener Printen.

Die unterschiedlichen Begriffe führten nach der Wiedervereinigung 1990 zu Problemen: Die bundesdeutsche Handwerksordnung sah den im Osten etablierten Beruf der Pfefferküchler nicht vor. "Da sind wir Pulsnitzer auf die Barrikaden gegangen", erinnert sich Lutz Tenne. "Acht Jahre dauerte der Kampf gegen die Bürokratie." 1998 lenkte das Wirtschaftsministerium ein: Der Pulsnitzer Berufsstand wurde als regionaltypisches Handwerk in die Liste aufgenommen - als "Bäcker, spezialisiert Pfefferküchler".

Seit spätestens 1558 werden in Pulsnitz Pfefferkuchen gebacken. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es hier noch 30 Pfefferküchler. Am Marktplatz in der Stadtmitte erinnert ein Museum an diese Oberlausitzer Tradition. Dort kann man eine komplette Pfefferküchlerei aus der Zeit um 1900 besichtigen, manche der Maschinen waren noch bis 1987 in Betrieb.

Im Museum duftet es nach Weihnachtsbäckerei: Nebenan gibt es eine Schauwerkstatt mit Backstube. Gerade zeigt eine Großmutter aus Dresden ihren drei Enkelinnen das Pfefferkuchenbacken - unter fachlicher Anleitung.

Die Pfefferkuchen-Schauwerkstatt ist die einzige Marketingaktion, die die Pulsnitzer Pfefferküchler gemeinsam in Angriff genommen haben. "Wir wollen nicht Masse produzieren", sagt Lutz Tenne, zugleich Innungsmeister seiner Pulsnitzer Branche. Zwar sei das Internet ein attraktiver Vertriebsweg, aber das Kerngeschäft bleiben die Wochenmärkte der Region, die die acht Pfefferküchler seit Generationen unter sich aufgeteilt haben.

Besonders im Herbst und Advent brummt das Geschäft. Im Januar machen die Pfefferküchler Betriebsruhe, und ab Februar wird wieder gebacken. "Bei uns in Ostsachsen werden die Pfefferkuchen ganzjährig verzehrt", sagt Altmeister Lutz Tenne.