Die Friedensforscher

„Brot für die Welt“ fördert jüdisch-palästinensisches Jugendprojekt

12. Dezember 2012

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Das Wunder von Bat Yam ereignet sich jeden Mittwoch um Punkt zehn: Yotam Israeli verwandelt Achtklässler in Friedensforscher. „Schalom Leute“, sagt er zu den neun jüdischen Schülern, die zur freiwilligen Projektstunde in der Ramot-Schule gekommen sind. „Stellt euch doch erst einmal auf euren Stuhl.“ Yotam, 19, arbeitet als Freiwilliger für die jüdisch-palästinensische Jugendorganisation Sadaka Reut. Sadaka und Reut – das sind die Worte in Arabisch und Hebräisch für „Freundschaft“. Die Gruppe bringt Teenager der beiden größten Konfliktgruppen in Israel an einen Tisch, übt Annäherung, wo Unwissenheit und Sprachlosigkeit herrschen.

„Steigt von Stuhl zu Stuhl“, fordert Yotam die Jugendlichen auf. „Und Schüler klettern herum, bald füllt Gekicher den Raum. Yotam nimmt jede Minute einen Sitz weg; am Ende halten sich vier Schüler prustend auf einem Stuhl. „So“, klatscht Yotam in die Hände, „und nun erzählt, was euch zum Begriff ‚Schule’ einfällt.“ Aus den Schülern sprudelt es heraus: Yotam schreibt Worte wie „Regeln“, „Lesen“ und „Noten“ auf ein weißes Plakat. Und dann: „Zäune“. Sofort entbrennt ein Streit darüber, ob „Zäune“ zu einer Schule dazugehören oder nicht. „Ich will doch lernen“, sagt David. „Warum soll man mich dafür einsperren?“ Die Zäune und die Gitterstäbe vor den Fenstern gäben doch Sicherheit, entgegnet Tamara, 14. „Wir müssen uns halt schützen, vor den Arabern.“

In Bat Yam, einer Kleinstadt südlich von Tel Aviv, sind viele Juden russi-scher und äthiopischer Herkunft zu Hause. Sie haben kaum Kontakt zu den Palästinensern, die nur einen Steinwurf entfernt in Jaffa leben und wie sie israelische Staatsbürger sind. Diese wiederum kennen meist nur Juden, die in einer Uniform stecken. So kommt es, dass die Vorurteile und das Misstrauen groß sind – wie überall in Israel. Sadaka Reut will dies ändern. Die seit 2009 von „Brot für die Welt“ unterstützte Organisation leistet pionierhafte Basisarbeit: Zunächst gehen die Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen in die Schulen und regen Jugendliche an, ihre eigene Lage kritisch zu beurteilen. „Alle wissen, dass etwas nicht stimmt. Aber weder in der Schule noch anderswo reden die Menschen tatsächlich über den Konflikt zwischen Juden und Palästinensern“, erzählt Projektleiterin Hanna Amouri.

Interessierte Schülerinnen und Schüler werden in die Jugendgruppen eingeladen. In derzeit vier jüdischen und sechs palästinensischen Gruppen, quer über das Land verteilt, erfahren sie mehr über Rassismus, über die Ängste der einen und die Nöte der anderen. Nach einigen Monaten bringt Sadaka Reut die Gruppen dann zusammen. Die Kids lernen sich kennen, die „Anderen“ erhalten ein Gesicht. (Brot für die Welt / Text: Jan Rübel, Foto: Frank Schultze)