Visionen und Wünsche für eine „Kirche von morgen“

AMD-Theologenkongress 2012: Thies Gundlach und Stephen Cottrell

28. September 2012

Ausschnitt Logo AMD-Theologenkongress: „Brannte nicht unser Herz“

„Der Pfarrberuf ist der schönste Beruf der Welt“: Daran gibt es für Thies Gundlach keine Zweifel. Damit das aber auch in Zukunft so bleibt, brauche die Kirche geistliche Intendanten“ oder „künstlerische Leiter der Evangeliumsverkündigung für eine Vielfalt möglicher Gemeindeformen“. Diese Visionen skizzierte der Vizepräsident des Kichenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) anlässlich des 5. AMD-Theologenkongresses am Dienstagnachmittag (26.9.) in der Dortmunder St. Reinoldikirche. Der anglikanische Bischof Stephen Cottrell (Chelmsford/Großbritannien) setzt beim Thema Kirche von morgen“ dagegen eher auf Gebet und Evangelisation.

Herausforderungen im Pfarrberuf gibt es viele: aufgrund des demografischen Wandels sinkende Mitgliederzahlen und notwendige Sparmaßnahmen, schmerzvolle Strukturveränderungen und die zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft. Die Sinus-Milieu-Studien, so Gundlach, zeigten uns, welche Völker wir mit unseren Arbeitsweisen noch nicht oder nicht mehr erreichten. Sein Fazit: „Es sind viele Völker geworden, zu viele!“ Deswegen bräuchten wir die „mutigen, lustvoll aufbrechenden, angstfrei neugierigen Pfarrer und Pfarrerinnen, die den Staub von den Schuhen schütteln und weiterziehen in das nächste Dorf“. Hinaus zu den Völkern, so wie es der Missionsauftrag Jesu im Matthäusevangelium sagt. Nur habe der die Völker der damaligen Welt vor Augen gehabt. Heute müssten wir aber unsere Völker vor Augen haben: „das Volk der modernen Performer zum Beispiel, das Volk der digitalen Nerds, das Volk der städtischen Hedonisten, das Volk der ländlichen Alternativen, das Volk der oberen Zehntausend ebenso wie das Volk der Hartz IV-Empfänger“.

Ein weiteres Problem sei die biblisch geprägte, dogmatisch korrekte Verkündigungssprache. Doch die, bedauerte Gundlach, verstehe außerhalb der immer schon vertrauten Kreise heute kaum jemand mehr. „Es klingt lebensfern und gutmenschenfreundlich, wir reden spanisch im indischen Umfeld.“ Dabei wüssten alle: „Wir müssen mehrsprachig werden, gerade theologisch-geistlich, wir müssen Fremdsprachen lernen, nicht nur Altgriechisch und Hebräisch, sondern die Vielzahl der gesprochenen Deutungssprachen. Die Sprache der Hollywoodfilme ebenso wie den Popsong-Dialekt, die Sprache der Einsamen ebenso wie den Dialekt der Hoffnungslosigkeit.“ Probleme erkennen, ist das Eine – sie zu lösen, das Andere.

Abhilfe schaffen, meint Gundlach, könnten „kreative Köpfe, originelle Einfälle und ungewöhnliche Wege“. Pfarrerinnen und Pfarrer mit dem Mut, neue Formen und überraschende Orte der Verkündigung auszuprobieren. Kurz: „geistliche Intendanten“. Mit künstlerischer Gestaltungskraft, evangelischer Leitungsverantwortung und geistlicher Kompetenz. „Pfarrerinnen und Pfarrer sollen interessante Theologen sein und Gewöhnlichkeit, Langeweile und Routine aus den Gemeinden vertreiben“, skizziert Gundlach sein Ideal. „Gesucht werden zukünftig Pfarrerinnen und Pfarrer, die nicht nur theologisch die Marke evangelisch profilieren, sondern diese auch einfallsreich und kreativ inszenieren können.“ Kreativität sei eine Grundbedingung des geistlichen Intendanten der Zukunft: Wir brauchen Menschen, die Zusammenlegung nicht verstehen als das lustlose Zusammenlegen von zwei zu klein gewordenen X-en zu einem großen X, sondern die aus zwei oder drei zu klein gewordenen X-en ein Y machen.“

Bischof Stephen Cottrell: „Wir brauchen Evangelisation“

Die „Kirche von morgen“ entspringt für Bischof Stephen Cottrell in der „Evangelisation von heute“. Dazu gehöre gelebte Spiritualität, vor allem das Gebet: „Wenn die Kirche von heute nicht aus Menschen besteht, die beten, und nicht aus Menschen, die in fröhlicher Gemeinschaft mit Gott leben, dann findet keine Evangelisation statt.“ Aber bevor der christliche Glaube weitergegeben werden könne, müsse er selbst empfangen worden sein. Schließlich „könnt ihr nicht weitergeben, was ihr selbst nicht habt“.

Fünft Schritte weisen für Cottrell den Weg zu einer „Kirche von morgen“: 1. Lehrt die Menschen zu beten – und seid selbst betende Menschen. 2. Lebt ein unverwechselbares christliches Leben. 3. Lernt zu evangelisieren – und seid selbst „evangelisiert“. 4. Erkennt eure Verantwortung füreinander am Leib Christi. 5. Und entwickelt Modelle einer Dienstgemeinschaft, die die biblischen Kennzeichen des Episkopats und Diakonats zum Ausdruck bringen, und entwickelt Modelle für unbezahlte Ämter von Laien und Ordinierten.

5. AMD-Kongress für Theologinnen und Theologen: Die Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste (AMD) im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) war Veranstalterin des 5. AMD-Kongresses für Theologinnen und Theologen, der vom 24. bis 27. September in Dortmund stattfand. In Anlehnung an die biblische Emmausgeschichte (Lukas 24,13-35) lautete das Motto: „Brannte nicht unser Herz…“ Zwischen Überforderung und Verheißung“. Auf die insgesamt 850 Teilnehmenden und Mitwirkenden warteten neben diversen Großveranstaltungen rund 60 Foren, Workshops und Seminare. Frühere Veranstaltungsorte waren Stuttgart (1987), Hannover (1994), Braunschweig (1998) und Leipzig (2006).