"Innerprotestantische Ökumene ist entscheidend vorangekommen"

Drei Fragen an Bischof Friedrich Weber

26. September 2012

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Die Ökumene zwischen den evangelischen Kirchen in Deutschland und Europa ist nach Einschätzung des braunschweigischen Landesbischofs Friedrich Weber ein ganzes Stück vorangekommen. Probleme in der innerprotestantischen Ökumene gebe es bei Einzelthemen, wie der Bewertung von Homosexualität, sagte der lutherische Catholica-Beauftragte dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Florenz am Rande der Vollversammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Weber steht auch an der Spitze der GEKE-Delegation, die im Februar Gespräche mit dem Vatikan aufnimmt.

epd: Wie steht es um die innerprotestantische Ökumene? Gibt es Fortschritte bei der Vertiefung der Kirchengemeinschaft?

Bischof Weber: Nach lutherischem aber auch nach reformiertem Verständnis sind die evangeliumsgemäße Verkündigung und Spendung der Sakramente die Elemente, auf denen die Einheit der Kirche basiert. Auf dieser Grundlage kann nach reformatorischem Verständnis Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft mit anderen Kirchen erklärt werden. Verwirklicht ist das reformatorische Modell in der "Leuenberger Kirchengemeinschaft", seit 2003 "Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa". Ihr Grunddokument ist die 1973 verabschiedete "Leuenberger Konkordie". Für Kirchengemeinschaft erscheint den beteiligten Kirchen die Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums erforderlich. Das Leuenberger Konzept hat sich unter den evangelischen Kirchen Europas weitgehend durchgesetzt und ist inzwischen zu einer festen Größe geworden.
Die innerprotestantische Ökumene ist in den letzten Jahrzehnten ein entscheidendes Stück vorangekommen. Die protestantische Einheitsvorstellung ist in der GEKE verwirklicht und hat auch jüngst zu regionalen Zusammenschlüssen von Kirchen geführt, etwa in Frankreich und in den Niederlanden.
In Deutschland ist die Zusammenarbeit der Landeskirchen mit den Freikirchen in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in den letzten Jahren äußerst konstruktiv fortentwickelt worden. Differenzen gibt es im Blick auf das Taufverständnis. Probleme in der innerprotestantischen Ökumene gibt es meiner Einschätzung nach bei einzelnen Themen wie der Frage nach der Bewertung der Homosexualität. Die unterschiedliche Bewertung dieser Frage und deren Umsetzung im Pfarrerdienstrecht führt regional zu unterschiedlichen Szenarien.

epd: Im Februar startet eine Gesprächsrunde zwischen Europas Protestanten und dem Vatikan. An der Spitze der evangelischen Delegation stehen Sie. Was erwarten Sie von diesem neuen Dialogstrang?

Weber: Auf die Konsultation zu Fragen der Kirchenlehre mit Rom freue ich mich. Für die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa nehmen an der ersten Konsultation mit der römisch-katholischen Kirche sieben Theologen teil. Auf Seite der römisch-katholischen Kirche steht die Konsultation unter der Leitung des Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch. Mögliche Fragestellungen könnten die Einheit der Kirche Jesu Christi in ihrer Vielfalt und die gemeinsamen Herausforderungen für die christlichen Kirchen in der heutigen Zeit sein. Allen Beteiligten ist klar, dass dem Dialog über das Verständnis von Kirche und den Weg zu ihrer Einheit derzeit hohe Bedeutung zukommt, weil wir über das Ziel der Ökumene nicht einig sind.

epd: Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa geht zurück auf die Leuenberger Konkordie. Ist deren Konzept von versöhnter Verschiedenheit ein Weg zur Überwindung der Kirchentrennung zwischen römisch-katholischer Kirche und den reformatorischen Kirchen?

Weber: Zunächst möchte ich festhalten, dass "Versöhnte Verschiedenheit" Einheit ist! Was "Einheit der Kirche" ausmacht, hat die ÖRK-Vollversammlung von 1961 in Neu-Delhi festgehalten. Darauf beruht auch das Konzept der "Einheit in versöhnter Verschiedenheit".
Die katholische Kirche hat den Begriff übrigens im Kontext der Gemeinsamen Erklärung aufgenommen. Die entscheidende Frage ist nur: Wie geschieht Versöhnung? Ich höre allerdings die Anfragen aus der katholischen Kirche, die problematisieren, dass der Begriff der versöhnten Verschiedenheit im Sinne des status quo interpretiert wird: Jeder könne bleiben so wie er ist. Weitere theologische Arbeit ist nötig, auch innerhalb der protestantischen Konfessionsfamilien, um das zu beschreiben, was "Versöhnung" der Differenzen eigentlich bedeutet. Nur, Versöhnung muss konkret werden. Notwendig ist die Gemeinschaft im Sakrament und auch die gegenseitige Anerkennung der Ämter und Aufhebung der gegenseitigen Lehrverurteilungen. Hinter diese Bestimmung sollten wir nicht zurückfallen. (epd)