Volksnahe Stimme des Protestantismus

EKD-Ratsvorsitzender Schneider wird 65

03. September 2012

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Der Symbolkraft dieser Zahl kann sich auch Nikolaus Schneider nicht entziehen: "65 Jahre - das ist schon ein Einschnitt", sagt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit Blick auf seinen Geburtstag am 3. September. Zwar scheidet der Theologe mit Erreichen des üblichen Rentenalters noch nicht aus dem Berufsleben. In sechs Monaten endet aber seine Amtszeit als Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Zehn Jahre stand er dann an der Spitze der zweitgrößten Landeskirche.

"Chef" der EKD mit ihren fast 24 Millionen Protestanten bleibt Schneider noch bis 2015 - offiziell ein Ehrenamt, das er weiter engagiert ausüben will. Dazu zieht der "in der Wolle gefärbte Rheinländer" 2013 von Düsseldorf nach Berlin, wo auch seine älteste Tochter und seine bald drei Enkelkinder wohnen. Spätere Rückkehr nicht ausgeschlossen.

Am Spitzenamt der EKD, das er nach dem Rücktritt von Margot Käßmann im Februar 2010 übernehmen musste, fand Schneider zunehmend Gefallen. Mit seiner zuhörenden, seelsorgerlichen Art pflegt er nach dem intellektuell brillierenden Wolfgang Huber und der charismatischen Käßmann einen eigenen, kollegialen Führungsstil. Persönliche Eitelkeiten liegen dem Stahlarbeitersohn ebenso fern wie akademisches Gehabe.

Der fußballbegeisterte Schneider versteht sich als Moderator und "Kommunikator", als Mannschaftsspieler, der im Team seine Stärken ausspielen kann. Gesprächspartner berichten, wie er in Begegnungen nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz von Menschen erreicht.

Diese gewinnende Art trug auch dazu bei, nach vier Jahren Funkstille im Juni den Gesprächsfaden von EKD und Islamverbänden neu aufzunehmen: Schneider lud zuvor muslimische Spitzenvertreter zu sich nach Hause zum Abendessen ein.

Im Dialog mit anderen Religionen wie auch in der Ökumene und gegenüber der Politik agiert der EKD-Ratschef gerne mal im Hintergrund. Meist ist er auf Ausgleich bedacht - ohne dabei die unterschiedlichen Profile zu verwischen. Im Gespräch mit dem Islam würden auch "kitzlige Fragen" wie der Umgang mit dem Salafismus nicht ausgespart, sagt er.

Geboren wird Schneider am 3. September 1947 in Duisburg. Nach dem Studium in Wuppertal, Göttingen und Münster wird er 1976 Pfarrer in Duisburg-Rheinhausen, dann Diakoniepfarrer und Superintendent im Kirchenkreis Moers. Ab 1997 rheinischer Vizepräses, übernimmt er 2003 von Manfred Kock das Amt des Präses. Weitere Spitzenämter sind der Aufsichtsratsvorsitz beim Evangelischen Entwicklungsdienst (2005-2010) und der Vorsitz im Diakonischen Rat der EKD (2009-2010).

Der von der 68er-Bewegung geprägte Schneider steht für eine politische und sozial engagierte Kirche, die "Vorposten Gottes in der Welt und nahe bei den Menschen" ist. Scharf und zugespitzt äußert er sich zu Fragen der sozialen Gerechtigkeit - wohl sein Lebensthema. Schon den im Arbeitermilieu aufgewachsenen Theologie- und Wirtschaftsstudenten Schneider, der heute nicht ungern als "Sozialbischof" bezeichnet wird, treibt "das Problem der gerechten Verteilung des Reichtums auf der Welt" um.

Als Pfarrer demonstriert er später an der Seite der Bergleute und Stahlkocher im Ruhrgebiet, die um ihre Existenz bangen. Heute geißelt Schneider markig eine "egoistische Abzockermentalität" unter Managern und fordert eine "Ethik des Genug". Die Vermögenden müssten ihren Beitrag zum Gemeinwesen leisten, statt möglichst viel Geld am Fiskus vorbeizuschleusen, sagt der Ehrendoktor der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel sowie Träger des Landesverdienstordens NRW, der Hans-Böckler-Medaille des DGB und der Buber-Rosenzweig-Medaille.

Eine persönliche Glaubenskrise durchlebt Schneider, als 2005 seine dritte und jüngste Tochter Meike mit 22 Jahren an Leukämie stirbt. Der christliche Glaube wird ihm in der Leidenszeit ein tröstendes Fundament, aber er hadert auch mit Gott. Mit seiner Frau Anne verarbeitet er den Verlust auch durch ein gemeinsames Buch und Vorträge zum Thema Tod und Trauer.

Wichtigstes Thema für den zwölften Ratsvorsitzenden der EKD dürfte in der verbleibenden Amtszeit das 500. Reformationsjubiläum 2017 sein. Trotz des ernüchternden Zustands der Ökumene nach dem Deutschlandbesuch des Papstes 2011 sieht Schneider auch hier das Verbindende und wirbt dafür, die "Umkehr zu Christus" in der Reformation gemeinsam zu feiern. (epd)