Gipfel statt Seenplatte

Der mecklenburgische Pastor Hans-Georg Meyer arbeitet als Urlauberpfarrer in Bayern

28. Juli 2012

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Schwindelfrei sind sie nicht. Trotzdem wollen Silke und Hans-Georg Meyer unbedingt wieder die Berggipfel erklimmen. "In den bayerischen Alpen zu wandern, ist ein wenig wie mit den Füßen beten", sagt Pastor Meyer. Der evangelische Theologe stammt aus Hagenow in Mecklenburg. Im August kommt er für vier Wochen in die evangelische Gemeinde von Bad Hindelang im Oberallgäu. Als Urlauberpfarrer wird er Vorträge für die Kurgäste halten, Gottesdienste in luftigen Höhen feiern und - wenn es denn so kommen sollte - auch Menschen zu Grabe tragen.

Bayern ist ein beliebtes Urlaubsland, und so liegt es nahe, dass dort besonders viele Urlauberpfarrer gesucht werden. "Zu uns kommen jedes Jahr knapp 50 Pfarrerinnen und Pfarrer aus ganz Deutschland", erzählt der zuständige Referent im Landeskirchenamt, Kirchenrat Thomas Roßmerkel. Die Kur- und Urlauberpfarrer entlasten die Ortspfarrer und sorgen für Kontinuität in der Gemeindearbeit.

Die bayerische Landeskirche lässt sich den Einsatz etwas kosten: Die Pfarrerinnen und Pfarrer bekommen nicht nur eine tägliche Aufwandsentschädigung gezahlt, sondern auch einen Zuschuss für ihre Urlaubswohnung und die Fahrtkosten.

Pastor Hans-Georg Meyer freut sich auf die Arbeit in der bayerischen Gemeinde: "Hier kann ich mich auf das Wesentliche konzentrieren und muss mich nicht um die Verwaltung kümmern", sagt er. Die Dreifaltigkeitskirche ist eine ehemalige Pestkapelle und liegt etwas außerhalb des Dorfes im Ostrachtal, einem reizvollen Wandergebiet im Ostallgäu. Im Sommer bietet die Gemeinde geführte meditative Wanderungen, Andachten an Wegkreuzen und in den Bergen, Gottesdienste im Fackelschein, Konzerte und Gästesingen.

Den Unterschied in der Arbeit machen vor allem die Gespräche mit den Menschen. "Im Urlaub öffnen sich die Menschen ganz anders als zu Hause, oft haben sie ein Bedürfnis nach Austausch", ist Meyers Erfahrung. An seiner Arbeit als Urlauberseelsorger schätzt er auch die Unterschiede in der religiösen Landschaft. Die Kirchgemeinde Hagenow zählt rund 3.000 Mitglieder, diese sind auf zwölf Dörfer verteilt. Das Umfeld sei "komplett atheistisch", berichtet Pastor Meyer. "In Bayern befinden sich die Evangelischen zwar ebenfalls in der Minderheit, doch ist die religiöse Prägung der Menschen meist unmittelbar spürbar - und sichtbar, so etwa in den vielen katholischen Kirchen und Kapellen", sagt Meyer.

In den vier Wochen, die das Ehepaar Meyer in Bad Hindelang verbringt, ist der Pastor nicht die gesamte Zeit im Dienst, sondern hat auch Zeit, um selbst etwas Urlaub zu machen und sich zu erholen. "Berge ermöglichen einen Perspektivwechsel", sagt Ehefrau Silke Meyer, eine Familientherapeutin. "Ich kann ermessen, wie klein ich bin, und wenn ich auf einem Gipfel stehe, dann zeigt mir das, wieviel Kraft ich eigentlich habe."

Pastor Meyer sieht den Einsatz in Bayern als reizvolle Aufgabe. Zwar sei es nicht einfach, eine Vertretung in der Heimatgemeinde zu finden und die gesamte Zeit zu überbrücken. Doch sei es eine "gute Erfahrung", die er nicht missen wolle. In Mecklenburg gebe es zwar wunderschöne Seen und endlose Weite. Die Berge aber, die fehlen.