Kloster im Gefängnis - eine besondere Form geistlichen Lebens in der JVA

Projekt des Monats Juni der Internetplattform „Kirche im Aufbruch“

15. Juni 2012

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In den vergangenen Jahren sind in mehreren Justizvollzugsanstalten Erfahrungen mit Einkehrtagen und „Kloster im Gefängnis“ gemacht worden. Meditation und Schweigewochen sind dabei auch als Übungsangebot zur Persönlichkeitsentwicklung im Strafvollzug zu sehen. Was für Gefängnisinsassen insbesondere gilt, wirft auch eine allgemeine Frage auf: Wie können Menschen Freiheit gewinnen angesichts von Fremdbestimmung und Angst?

Christliche Spiritualität ermöglicht einen Weg in die Unabhängigkeit und gleichzeitig eine tiefe Verbindung mit dem Grund des Lebens. Für die Seelsorge bedeutet das, dass eine stärkere Betonung der mystischen Tradition des Christentums neue Veränderungspotentiale freilegen kann.

„ Nähme ich Flügel der Morgenröte... - Gottes Gegenwart in meinem Leben“: Unter diesem Leitwort  steht in diesem Jahr eine Schweigewoche  in der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd. Vorzugsweise langjährig Inhaftierte werden zu dieser seit 2009 angebotenen Einkehrwoche eingeladen. Sie ist gestaltet in Form von Einkehrtagen, wie sie in ähnlicher Form auch in Klöstern angeboten wird. Prägend für die Form sind drei volle Schweigetage und ein klar strukturierter Tagesablauf von 7 Uhr morgens bis 21 Uhr abends. Er kennzeichnet sich durch mehrfaches Sitzen in der Stille in Form von Meditation, drei Tagzeitengebete in der Kirche, Arbeitszeit im Schweigen, Gehen im Freien im Schweigen und einer Ausdrucksmethode für Leib und Seele, dem „Initiatischen Gebärdenspiel“. Einzelgespräche von ca. 10 Minuten mit den Leitenden sind für jede Teilnehmerin täglich verpflichtend eingeplant. Jede Woche steht unter einem biblischen Thema, das in verschiedenen Impulsen und durch Beiträge in den Abendandachten entfaltet wird. Geleitet wird die Woche zum einen von Pfarrerin Susanne Büttner, die auch im Herzensgebet ausgebildete Meditationslehrerin ist. Heike Rosengarth-Urban ist die externe Leitung, Juristin und ausgebildete Kontemplationslehrerin.

Die Teilnehmerinnen (bisher waren es zwischen 11 und 13) sind für diese Woche von der Arbeit freigestellt und ziehen – wenn möglich – auf eine dafür vorgesehene Abteilung um. Ab diesem Jahr wird eine Abteilung mit vorerst sieben Zellen mit Holzbetten und neu gestrichenen Möbeln dafür bereit stehen. Sie verzichten in dieser Woche bewusst auf Fernseher und Radio und auf Telefonate nach draußen. Sie bekommen ein Tagebuch gestellt.

Die Klosterwoche ist prinzipiell für alle Interessierten offen. Sie ist allerdings aus dem Kontext einer regelmäßigen Meditationsgruppe entstanden, die Pfarrerin Büttner seit dem Jahr 2002 jede Woche für 12 – 15 Teilnehmerinnen anbietet. Frauen, die regelmäßig meditieren, sind besonders an dieser Vertiefungsmöglichkeit interessiert. Die bisher durchgeführten Wochen „Kloster im Gefängnis“ waren je ca. zur Hälfte von Frauen aus dieser Gruppe und zur Hälfte mit neuen Interessierten belegt. Einige der Teilnehmerinnen, von denen die Mehrheit wegen eines Tötungsdeliktes langjährige Haftstrafen verbüßt, nehmen nun schon zum vierten Mal teil. Sie sehen die Woche als eine Vertiefung ihrer Erfahrung mit dem Schweigen an. Im Schweigen würde sehr viel an emotionaler Auseinandersetzung mit sich selbst, dem Leben und auch der Tat möglich, so stellen sie fest. Bereits nach einem Tag trete die Realität „Gefängnis“, die sehr viele hässliche Seiten hat, deutlich in den Hintergrund. Die Stille sei Herausforderung, aber auch Chance, zu sich zu kommen. Und in diesem „zu-sich-kommen“, das oft sehr unbequem sei, Gott neu zu begegnen.

So sagte eine Teilnehmerin nach der letztjährigen Klosterwoche: „Immer, wenn ich mich mit meiner Tat konfrontiert sah, bin ich in ein tiefes schwarzes Loch gefallen. Lange dachte ich, ich überlebe das nicht. Doch in der Klosterwoche konnte ich spüren, dass ich getragen bin. Das geschah in der Stille, da war etwas Tröstliches da. Und die Gruppe hat mich auch mitgetragen. Das hätte ich nie gedacht. Das war unheimlich schön. Allein, dass ich das durchgehalten habe, gibt mir ein großes Vertrauen. Ich glaube jetzt, dass es eine Zukunft für mich geben kann.“ Auch die Anstaltspsychologinnen und die Anstaltsleitung sehen „Kloster im Gefängnis“ als ein Modellprojekt an: „Eine Woche Schweigen scheint bei manchen so viel zu bewirken wie drei Jahre Gespräche“, so eine der Psychologinnen.