Am Anfang war das Wort – oder?

Christliche Kommunikationsexperten bereiten die nächste ÖRK-Vollversammlung 2013 in Südkorea vor

25. Mai 2012

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Was, wenn Gott am Anfang geschwiegen hätte? Für die meisten der achtzehn Teilnehmer einer internationalen Konsultation, die in der Woche vor Pfingsten in Busan/Südkorea stattgefunden hat, ist klar: Das ist eine rhetorische Frage. Wenn Gott am Anfang nicht gesprochen hätte, hätte es keine Schöpfung gegeben. „‘Am Anfang war das Wort‘ - der Anfang des Johannesevangeliums, aber auch das erste Buch Mose machen deutlich, dass die Schöpfung ein Kommunikationsgeschehen war und ist“, sagt Samuel Wilson Meshack aus Indien.  „Durch sein Wort ruft Gott die Welt ins Dasein.“

Meshack ist Mitglied der World Association for Christian Communication (WACC), die gemeinsam mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) zu der viertägigen Konsultation in Busan eingeladen hat. In der Hafenstadt im Südosten der koreanischen Halbinsel findet im Herbst des kommenden Jahres die 10. ÖRK-Vollversammlung unter dem Motto „Gott des Lebens, führe uns zu Gerechtigkeit und Frieden“ statt. Die Konsultations-Teilnehmer aus aller Welt – Kommunikationswissenschaftler, Pressesprecher und Öffentlichkeitsarbeiter – sollen dieses Motto unter dem Blickwinkel ihrer Arbeit beleuchten.

Und schnell wird klar: Mit vermeintlich eindeutigen Worten ist es nicht so einfach getan. Wenn Kommunikation ein schöpferisches Handeln ist, dann würde Schweigen das Gegenteil bedeuten, oder? Und Gott ruft uns auf, zu sprechen – oder nicht? Das ist zu einseitig gedacht, wirft Young-Cheol Cheon ein. Kommunikation muss nicht immer Sprechen bedeuten. Nach asiatischem Verständnis  ist Sprache eine sehr begrenzte und anthropozentrische Form der Kommunikation. Jeder Organismus besteht aus einer Vielzahl von Zellen, erklärt Cheon, die – ohne Worte - miteinander kommunizieren. Das asiatische Weltbild versteht die gesamte Schöpfung als ein integrales Ganzes, ähnlich einem miteinander verwobenen Organismus. Nach dieser Sicht ist gelingende Kommunikation innerhalb dieses Organismus lebenswichtig für alle Teile der Schöpfung. „Das wirft natürlich auch ein anderes Licht auf den Umgang mit der Natur und die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung“, betont der koreanische Theologe, der im nationalen Vorbereitungsausschuss für die ÖRK-Vollversammlung tätig ist.

Beim Abendessen bietet sich die Gelegenheit, einer koreanischen Theologin die Testfrage zu stellen. Hyunju Bae lehrt an der Universität Busan Neues Testament. „Was, wenn Gott am Anfang geschwiegen hätte?“ Hyunju Bae strahlt, als sie diese Frage hört. „Gott schweigt? Wunderbar – nach asiatischem Verständnis bedeutet Schweigen Erfüllung und Frieden.“ Sie ist erstaunt, als sie hört, dass Europäer das Empfinden von Gottesferne häufig als Schweigen Gottes beschreiben.

Das Verständnis von Kommunikation ist also vielfältig, ebenso wie die Sprachen, die beim Abendessen rings um den gemeinsamen Tisch gesprochen werden: Ein koreanischer Pastor unterhält sich auf Spanisch mit einem US-Amerikaner und einem Brasilianer, daneben erklingt Englisch und Deutsch – „Das ist ja ein richtiges Pfingsterlebnis hier“, lacht eine Theologin aus den Niederlanden. In einem sind sich aber alle einig: Der Auftrag, die gute Nachricht von Gottes Gnade weiterzusagen, oder: weiterzugeben, ist ein zentraler Auftrag an Christinnen und Christen.

Aber nicht nur das. Christliche Kommunikationsexperten sind auch aufgefordert, sich mit ihren Möglichkeiten für Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen. Und so lenkt die Abschlusskundgebung der Konsultation den Blick auf die veränderte Medienlandschaft in Zeiten sozialer Netzwerke und die Rolle, die professionelle Kommunikation dabei spielen kann, den Benachteiligten und an den Rand Gedrängten eine Stimme zu verleihen, ihre Geschichte zu erzählen und Verständigung zu ermöglichen.