Die Pfarrerin am Roten Meer

In Hurghada sind die deutschsprachigen evangelischen Christen schon lange sehr aktiv

10. Januar 2012

20120110_rotesmeer470

"Du bist ein Volltreffer", singen die Kinder im Kreis. Es ist ihr Lieblingslied beim Kinderbrunch. So heißt der deutschsprachige evangelische Kindergottesdienst im ägyptischen Touristenzentrum Hurghada am Roten Meer. Zwölf Grundschulkinder sind heute gekommen und singen und tanzen ausgelassen.

Bei "Volltreffer" zeigen sie auf einen Menschen, der ihnen besonders wichtig ist. Heute richten sich viele Finger auf Eva Gabra, dabei ist sie noch neu. Doch sie war lange erwartet worden. Eva Gabra ist seit Sommer Auslandspfarrerin der Evangelischen Kirche in Deutschland in Hurghada.

Die Zeiten sind nicht leicht. Die ägyptischen Christen, die Kopten, werden angegriffen und verfolgt, mehr als hunderttausend sollen im vergangenen Jahr das Land verlassen haben. Die deutschsprachigen Christen in Hurghada, für die Eva Gabra zuständig ist, wurden von den Anfeindungen aber bisher nicht getroffen.

Die 29-Jährige mit dem blonden Pferdeschwanz ist Pfarrerin einer Gemeinde, die offiziell noch gar nicht existiert. Aber die deutschsprachigen evangelischen Christen in Hurghada sind schon lange sehr aktiv. Seit Jahren kommen die Kinder zum Kindergottesdienst. "Bisher hatten wir keine theologische Anleitung, aber ich habe ab und zu meinen Vater angerufen, der ist Pfarrer in Deutschland und hat mir dann ein paar Tipps gegeben", sagt Beke Hoppe, die den Kinderbrunch mitorganisiert hat.

"Es gibt unter den Deutschen hier durchaus ein religiöses Interesse", hat Hoppe beobachtet. "Wir leben in einem Land, in dem Religion eine große Rolle spielt. Da fragt man sich automatisch, an was man eigentlich selber glaubt und wo man hingehört." Kein Wunder also, dass Eva Gabra herzlich empfangen wird. "Ich habe das Gefühl, offene Türen einzurennen", sagt die Pfarrerin, die in Wuppertal, Heidelberg und Kairo studiert hat.

Dennoch steht sie vor großen Herausforderungen, denn in den Auslandskirchen sind evangelische Christen nicht automatisch Mitglied, sie müssen eintreten und bezahlen. Das erfordert Überzeugungsarbeit.

Auch hat sie bisher keinen Raum: So schiebt sie entweder die Sofas zur Seite und lädt zu sich ins Wohnzimmer ein, oder sie feiert ihre Gottesdienste im Garten des deutschen Honorarkonsulats. "Das hat den Vorteil, dass dies ein Ort ist, den alle kennen."

Es gilt, Brücken zu schlagen, denn Hurghadas Deutsche könnten unterschiedlicher nicht sein: "Dies ist ein Ort, der viele Abenteurer anlockt. Manche schaffen es hier, aber es gibt auch verkrachte Existenzen". Der Honorarkonsul von Hurghada, Peter Jürgen Ely, schätzt, dass rund 7.000 Deutsche dauerhaft in Hurghada und Umgebung leben. Viele von ihnen arbeiten in Hotels und Tauchschulen.

Doch der Tourismus steckt seit der Revolution in der Krise. Viele aus der Branche machen sich Sorgen um die Zukunft - auch, weil die Salafisten, die bei den Parlamentswahlen gut abschneiden, den Touristen Alkohol und Bikini verbieten wollen. Wer will dann noch Urlaub in Hurghada machen?

Nicht alle leben vom Tourismus. Viele Deutsche in Hurghada sind Rentner, die in der Sonne ihren Lebensabend verbringen. Hinzu kommen deutsche Frauen, die sich im Urlaub in einen Ägypter verliebt haben und geblieben sind. "Viele der Frauen sind wegen der Ehe zum Islam übergetreten, andere sind Christinnen geblieben. Das Zusammenleben mit ihren muslimischen Männern wirft bei ihnen jedoch die Frage auf, was das Christentum eigentlich ausmacht", sagt Eva Gabra.

Sie hat deswegen mit diesen Frauen bereits im November einen Glaubenskurs gemacht: Es ging um die Grundlagen des Christentums und darum, was die Christen im Alltag von den Muslimen unterscheidet.

Gabra hat sich in ihrem Studium auf christlich-islamischen Dialog spezialisiert und weiß, was es heißt, eine Ehe zwischen den Kulturen zu führen. Auch ihr Mann ist Ägypter. Sie hat ihn allerdings nicht im Urlaub kennengelernt, sondern an der theologischen Fakultät. Auch David Gabra ist Pfarrer. Er betreut die evangelisch-koptische Gemeinde von Hurghada.

Zu Eva Gabras Gemeinde sollen aber nicht nur die in Hurghada lebenden Deutschen gehören. Auch mit Touristenseelsorge hat die Evangelische Kirche in Deutschland die Pfarrerin beauftragt. Doch wie fängt man das an? Hurghada ist ein Ferienort, der auf billigen Massentourismus setzt. Die meisten kommen her, weil sie mit Vollpension am Strand liegen wollen. Eine Pastorin haben sie nicht gebucht.

"Andererseits ist der Urlaub auch ein Moment, in dem die Menschen zur Besinnung kommen und sich die Fragen des Lebens stellen. Dabei können sie vielleicht Begleitung gebrauchen", sagt Eva Gabra. Nicht zuletzt ist sei hier der Schauplatz biblischer Geschichten. So soll es das Rote Meer gewesen sein, das Moses auf der Flucht vor den Ägyptern teilte, um die Israelis ins gelobte Land zu führen. - Überlieferungen, an die Eva Gabra bei ihrer Arbeit an der Küste des glitzerblauen Meeres anknüpfen will. (epd)