Der Norden setzt die Segel

Historische Stunde in Rostock-Warnemünde

09. Januar 2012

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Das Nordkirchen-Schiff ist vom Stapel gelaufen, Pfingsten kann es Segel setzen. In einer historischen Sitzung wurde am Wochenende in Rostock-Warnemünde die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland beschlossen. Während draußen der Orkan "Andrea" die Ostseewellen peitschte, schrieben 255 Kirchenparlamentarier aus Nordelbien, Mecklenburg und Pommern Kirchengeschichte. Mit 227 Ja-Stimmen wurde die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit von 178 Stimmen deutlich übertroffen. Künftig ist die Nordkirche mit 2,3 Millionen Mitgliedern eine der mitgliederstärksten und flächenmäßig größten unter den evangelischen Landeskirchen. Zugleich ist sie die erste, die den Brückenschlag zwischen Ost und West Wirklichkeit werden lässt.

Noch einmal stürmisch wurde es, als am späten Samstagnachmittag überraschenderweise die Überleitung der amtierenden Bischöfe in die Nordkirche an einer fehlenden Zwei-Drittel-Mehrheit scheiterte. Damit hatte niemand gerechnet. Und die wenigsten wollten sich vorstellen, gänzlich bischofslos in eine neue Kirche starten zu müssen. Eine Sondersitzung kurz vor Mitternacht konnte das Problem beheben. Mit 207 Ja-Stimmen von 233 Anwesenden wurde die Überleitung doch noch beschlossen.

Nordkirchen-Bischöfe werden demnach Gerhard Ulrich im Sprengel Schleswig und Holstein, Kirsten Fehrs in Hamburg und Lübeck, Andreas von Maltzahn in Schwerin und Hans-Jürgen Abromeit in Greifswald. Der künftige Landesbischof mit Sitz in Schwerin soll erst im Frühjahr 2013 gewählt werden.

Für Bischof Ulrich ist die Nordkirchen-Fusion ein "bedeutendes Ereignis für die Entwicklung des Protestantismus in Deutschland". Vor allem aber sei sie "ein starkes Signal für das Zusammenwachsen von Ost und West". Auch EKD-Chef Nikolaus Schneider betonte diesen Brückenschlag: Die Nordkirche sei "die erste Gliedkirche der EKD, die große ost- und westdeutsche Gebiete in einer Kirchenstruktur vereint". Welche Problemanzeigen in diesen Feststellungen liegen, machen zum Beispiel Mitgliederzahlen deutlich: In Mecklenburg sind nur 18 Prozent der Bevölkerung evangelisch, in Pommern 19 Prozent. In Hamburg sind es noch 41 Prozent und in Schleswig-Holstein derzeit rund 60 Prozent.

Die Synode endete am Sonntag mit der Beschlussfassung eines Siegelgesetzes für die Nordkirche sowie mit dem Ausblick auf das pfingstliche Gründungsfest in Ratzeburg am 27. Mai. Bereits Anfang Mai 2013 wird die Nordkirche Gastgeberin des 34. Deutschen Evangelischen Kirchentages sein, der nach 1953, 1981 und 1995 zum vierten Mal in Hamburg stattfinden soll.

Aufbruch in die Arbeit also. Bereits Bischof Ulrich hatte mehrfach davon gesprochen, dass hinter der Nordkirchen-Gründung kein Ausrufezeichen, sondern ein Doppelpunkt stehe.

Fingerzeige für die künftig gemeinsame Arbeit konnten die "Hoffnungsworte" sein, die im Foyer des Tagungshotels mit Holzklammern an Bindfäden festgemacht waren. "Zusammen wachsen, Früchte tragen", stand dort, oder: "Missionarischer Aufbruch der Nordkirche", "einander vertrauen", "Hoffnung sei Wanderstab" und "Alles wird gut". (epd)