"Ein ganz anderes Silvester"

Junge Frauen und Männer aus allen Ländern Europas sind zum Taizé-Jugendtreffen in Berlin angekommen

28. Dezember 2011

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Rrund 20.000 junge Leute sind aus allen Ländern Europas zum Taizé-Jugendtreffen in Berlin angereist. Schon am frühen Morgen kamen die ersten Busse mit den zwischen 17 und 35 Jahre alten Teilnehmern an sechs Sammelstellen im Westen und Südwesten der Stadt an. Die Taizé-Bruderschaft aus dem französischen Burgund lädt seit 34 Jahren am Ende jedes Jahres in eine andere europäische Großstadt ein. Berlin ist erstmals Gastgeber - bis zum Neujahrstag herrscht babylonisches Sprachengewirr in der Hauptstadt.

Im Stadtteil Wilmersdorf kamen die Busse mit den jungen Frauen und Männern an einer Schule an der vielbefahrenen Bundesallee an. Der erste Bus traf um 6.30 Uhr aus Rumänien ein, kurz darauf kamen die ersten Serben, später Ungarn und Montenegriner, berichtet die 25-jährige Ute. Als freiwillige Helferin begrüßte sie die Gäste in ihrer jeweiligen Landessprache.

Die aus Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt stammende junge Frau lebt nach dem Ende ihres Sonderpädagogik-Studiums seit drei Monaten in Taizé. Wahrscheinlich noch bis Ostern will sie in dem kleinen Dorf im Südburgund bleiben - eine selbstgewählte Zeit der geistigen und spirituellen Orientierung. Für zahlreiche Menschen - jung und alt - ist die Gemeinschaft in Frankreich der zentrale spirituelle Ort für gelebte christliche Werte.

Die in den 40er Jahren von dem Theologen Roger Schutz gegründete ökumenische Bruderschaft will nicht zuletzt mit ihren jährlichen Jugendtreffen dazu beitragen, "die Zerrissenheit unter den Christen und die Konflikte in der Menschheit" überwinden zu helfen. In Berlin treffen sich die Teilnehmer in einem weitgehend säkularen Umfeld. Was die rund 100 Taizé-Brüder bei der Organisation der Jugendtreffen auf die Beine stellen, ist eine logistische Meisterleistung. Neben den 20.000 Dauergästen von außerhalb wird mit weiteren 10.000 Dauerbesuchern aus Berlin gerechnet.

Viele Mitglieder der "Communauté de Taizé" sind an diesem Morgen auf den Straße Berlins unterwegs. Bruder Richard fühlt sich den 1.100 Teilnehmern aus Südosteuropa besonders verbunden. Seit Ende der 80er Jahre bereist der heute 52-jährige Schweizer immer wieder die Balkanregion. Richard, der seit 33 Jahren der Taizé-Bruderschaft angehört, kam 1987 erstmals in das damalige Jugoslawien. "Wir haben gemerkt, dass sich dort politisch etwas tut und die jungen Menschen einen speziellen Anlaufpunkt in unserer Bruderschaft brauchen", sagt Frère Richard. Besonders in Erinnerung geblieben sind ihm seither größere und kleinere Taizé-Treffen in Ljubljana, Zagreb und Budapest.

Jeder einzelne Teilnehmer soll sich in Berlin persönlich empfangen fühlen. Nach der Ankunft erhielten die Teilnehmer einen Wegeplan und mussten eigenständig die Route zu einer der mehr als 160 gastgebenden Kirchengemeinde finden. Dort werden sie zumeist in Privatquartieren untergebracht und dort werden sie in den kommenden Tagen auch gemeinsam mit Gemeindemitgliedern beten und singen. Mittags und abends treffen sie sich in den Berliner Messehallen. Daneben finden Diskussionsveranstaltungen mit Politikern und Vertretern verschiedener Religionen statt.

Wenige hundert Meter entfernt sitzen in einer anderen Schule Veronika und Elise aus Linz in Oberösterreich auf dem Boden und spielen Karten. Beide wissen noch nicht, wohin es gehen wird. Bis zuletzt haben die Taizé-Brüder Privatquartiere für die Teilnehmer gesucht. Tausende Quartiere wurden gemeldet, dennoch werden einige in Turnhallen und Gemeindesälen übernachten müssen. Für Bruder Norbert, der seit vier Jahren in Taizé lebt und aus Zittau in Ostsachsen stammt, deutet dies aber nicht auf mangelnde Gastfreundschaft der Berliner hin: "Das war letztes Jahr in Rotterdam nicht anders."

Die beiden Österreicherinnen warten derweil weiter auf ein Zeichen, wo sie am Ende des Tages schlafen werden. Die 22-jährige Veronika kennt das schon von den Europäischen Jugendtreffen in Brüssel und Posen (Poznan). Auch die ein Jahr jüngere Elise ist nicht zum ersten Mal bei einem Taizé-Treffen. Vor zwei Jahren war sie ebenfalls in Posen. Nur vergangenes Jahr hat sie ausgelassen - und sich bei einer Silvesterfeier in ihrer Heimat völlig deplatziert gefühlt: "Hier in Berlin mit vielen anderen zu beten, zu singen und zu meditieren - das ist schon ein ganz anderes Silvester", ist die 21-Jährige überzeugt.