Ein Kinderlied macht Karriere

Martin Luthers "Vom Himmel hoch" ist nach 500 Jahren noch immer populär

22. Dezember 2011

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Weimar (epd). An Martin Luther (1483-1546) kommt in der Vorweihnachtszeit wohl kaum jemand vorbei - zumindest unbewusst. Denn schon lange vor dem Fest tönt auf Weihnachtsmärkten, in Warenhäusern und in Einkaufszentren neben vielen anderen auch sein Lied "Vom Himmel hoch, da komm ich her". Zwar dürften alle 15 Strophen den wenigsten gegenwärtig sein. Immerhin aber behauptete 2010 bei einer Umfrage mehr als die Hälfte der Befragten, sie könnten wenigstens die erste Strophe singen.

"Vom Himmel hoch" ist eines der ersten protestantischen Lieder überhaupt. Während im Text die religiöse Überlieferung von Jahrhunderten lebendig wird, gehe Luthers Melodie auf das Volkslied "Ich komm aus fremden Landen her" zurück, sagt die Musikwissenschaftlerin Franziska Seils von der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Halle an der Saale. Die Urheberschaft des Reformators für das fast 500 Jahre alte "Kinderlied auf die Weihnacht" sei jedoch unbestritten.

Ursprünglich war es wohl für den Hausgebrauch im ersten evangelischen Pfarrhaus bestimmt, das Luther mit Katharina von Bora im Juni 1525 begründet hatte. Luthers gereimte Weihnachtsgeschichte von 1535 galt vor allem seinen sechs Kindern. Ihnen erzählte er zunächst vom Engel, der "vom Himmel hoch" herkommt und "die gute neue Mär" von der Geburt Jesu verkündet. Dann schilderte er den Gang der Hirten zur Krippe im Stall von Bethlehem.

Die nachfolgende Anbetung des Jesuskindes ließ er schließlich ausklingen mit Lob und Ehr für "Gott im höchsten Thron, der uns schenkt seinen ein'gen Sohn". Die weltweite Karriere des fröhlichen Liedes begann mit seiner Erstveröffentlichung 1539 in einem Gesangbuch. Seither gehöre "Vom Himmel hoch" zum Grundstock des evangelischen Gemeindegesangs, sagt Professorin Seils.

Generell seien Luthers 37 Lieder alles andere als "schönes Beiwerk" zu seinen Schriften und Predigten, "sondern diesen ebenbürtig", sagt sie. Musik war Luther seit früher Kindheit und Schulzeit bestens vertraut. Im Kloster fand er sich bestätigt durch den antiken Kirchenvater Augustinus (354-430) und seine Auffassung von Musik als Geschenk Gottes und göttlichem Auftrag. "Wäre ich nicht Theolog', würd' ich am liebsten Musiker geworden sein", bekannte Luther in einem Brief an den protestantischen "Urkantor" Johann Walter (1496-1570) in Torgau.

Mit dem gemeinsamen Gesang im Gottesdienst wollte der Reformator die christliche Botschaft auch einfachen Leuten nahebringen, die nicht lesen konnten, erläutert die Wissenschaftlerin. Luther selbst habe das Singen stets als "Ausdruck von Erlöstheit und Freiheit" empfunden: "Schwermütige Lieder hat er nicht geschrieben." Unter den Zeitgenossen galt ihm vor allem der flämische Komponist Josquin Deprez (um 1450-1521) als Maßstab und Vorbild.

Gleichzeitig aber sei sich Luther durchaus bewusst gewesen, dass andere besser komponierten als er. Deshalb vertraute er zumeist auf populäre Melodien aus dem Volk. Auch für das Weihnachtslied "Nun komm der Heiden Heiland" übernahm er eine alte weltliche Vorlage.

Über "Vom Himmel hoch" entstanden noch im 16. Jahrhundert mehrere Chorfassungen. Später setzte das Lied in Weihnachtsoratorien etwa der Leipziger Thomaskantoren Sebastian Knüpfer (1633-1676) und Johann Sebastian Bach (1685-1750) oder des Hamburger Musikdirektors Johann Mattheson (1681-1764) eindrucksvolle Akzente. Die Popularität hält bis heute unvermindert an - auch dank Interpreten wie Freddy Quinn oder den Ost-Altrockern von den "Puhdys".