Herzenswünsche im Weihnachtstrubel

Kurz vor Heiligabend füllen sich die Gebetswände in den Innenstadtkirchen

20. Dezember 2011

Herzenswünsche zu Weihnachten

Mal duftet es nach Schinkenwurst, mal nach Glühwein oder Schmalzkuchen. Mit seinen Genüssen umlagert der Bremer Weihnachtsmarkt die historische Ratskirche Unser Lieben Frauen mitten in der Innenstadt. Einige Passanten sind vor dem Gewusel geflüchtet und sitzen teils vollbepackt mit Einkaufstüten in der Stille der Kirche. "Lieber Gott, gib mir Ruhe", formuliert jemand auf einem gelben Stern aus Papier einen Stoßseufzer Richtung Himmel.

In vielen deutschen Städten liegen jetzt die Weihnachtsmärkte den Kirchen zu Füßen. So ist es an der St.-Marien-Kirche in Osnabrück, an der Marktkirche in Hannover, am Braunschweiger Dom, an der Frauenkirche in Nürnberg und an der Kreuzkirche, die den berühmten Dresdner Striezelmarkt überragt. Und oft nutzen die Besucher der Märkte die Kirchen als Oasen im Gewühl und schreiben kleine Zettel mit Herzenswünschen, die an Gebetswänden zu finden sind, die in diesen Tagen überquellen.

"Ich wünsche mir, dass mein Sohn bald das Glück seines Lebens findet", steht auf einem von mehr als hundert Sternen, die in Unser Lieben Frauen hängen. "Statt Hartz IV hätte ich gerne eine Arbeitsstelle als Informatiker (SAP)", macht es ein Mann an anderer Stelle konkret. Und in großen Lettern einer Kinderhand heißt es gleich daneben ziemlich enthusiastisch: "Gott ist sehr heilig." In der hannoverschen Marktkirche betet Ingrid: "Lieber Gott, hilft mir, dass ich wieder ganz gesund werde und mein Nachbar Ruhe gibt."

"Die Menschen werden fast magisch von den offenen Kirchentüren angezogen", freut sich der Bremer Dompastor Henner Flügger. Oft gehe es auf den Gebets- und Wunschzetteln um Beziehungen, Gesundheit und Frieden. "Der Gott der Liebe soll jetzt zu Weihnachten nachhelfen, wenn etwas abgebrochen ist oder kriselt." Davon zeugen im Bremer Dom kleine Zettel, die gleich neben einem Meer aus Teelichtern hängen. "Gib mir Ruhe, um mit der Vergangenheit einer beendeten Beziehung abzuschließen", heißt es da. Ein anderer Kirchengast hofft, dass er "alleine glücklich sein kann".

Besonders mittags strömen die Menschen in den Dom, um die Imbissstände vor dem Kirchenportal für einige Minuten hinter sich zu lassen. "Von Schwenkbraten und Glühwein alleine wird man eben nicht satt", sagt Flügger. Und sein Braunschweiger Kollege Christian Kohn registriert in der Adventszeit ein rapide gewachsenes Bedürfnis, seinen Herzenswunsch mit einer Gebetskerze zu bekräftigen. Der Braunschweiger Dom sei für viele "eine Seelentankstelle mitten in der Stadt".

Wer will, kann sich dort mit einem Geistlichen zu einem seelsorgerlichen Gespräch verabreden. "Dann geht es oft um Krankheit, Trennung oder den Verlust von Angehörigen", berichtet Dompfarrer Kohn. Ähnlich ist es in der Osnabrücker St.-Marien-Kirche. Hier gibt es unter der Orgel des gotischen Sakralbaus eine Gelegenheit zum ungestörten Gebet. "Der Raum ist still und vermittelt Geborgenheit", sagt Pastor Frank Uhlhorn.

Auch in Bremen bleibt das Getriebe draußen, nur in den Kirchenfenstern von Unser Lieben Frauen tanzen die bunten Lichter des Weihnachtsmarktes. Immer wieder tauchen auf den Gebetszetteln Themen wie Frieden, Freunde und Familie auf. "Ein bisschen mehr Miteinander statt Übereinander", hat jemand einem Stern anvertraut, der nun an einem Bogen aus Tannenzweigen hängt, durch den die Besucher in die Kirche kommen.

Eine Mutter wünscht sich, "dass meine Tochter keine Angst mehr hat und ihr Leben lebt". Darüber ist zu lesen: "Herr, beschütze Mama und Papa, Elena und meine Freundinnen." Immer wieder finden sich japanische und selbst arabische Schriftzeichen. Dompfarrer Kohn ist überzeugt, dass es den Menschen hilft, Wünsche zu notieren und sich ein paar Minuten in den Kirchen zu besinnen: "Die Leute gehen anders raus als sie reingekommen sind." (epd)