Gedanken über den Nikolaus

Der EKD- Ratsvorsitzende, Präses Nikolaus Schneider, über den Nikolaus

06. Dezember 2011

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„Gibt es überhaupt einen echten Nikolaus?“ Viele Kinder stellen ihren Eltern dieser Tage diese Frage. Sie klingt ein wenig komisch, wenn man selbst Nikolaus mit Vornamen heißt. „Natürlich gibt es einen echten Nikolaus“, will man da antworten, „es gibt sogar viele Männer und Jungen mit diesem Namen. Alle Niklas‘ und Nils‘ und Claas‘ und Klaus‘ dieser Welt sind – zumindest namentlich – verwandt mit dem bekannten Nikolaus.“ Aber die Frage der Kinder geht ja zurück in die Vergangenheit, zurück zu dem Nikolaus, an den wir uns in jedem Jahr am 6. Dezember erinnern. Und diese Erinnerung kann in der Tat „echt“ oder weniger echt sein, sie kann sich an den historischen Fakten orientieren oder an den gegenwärtigen Werbebildern. Wenn sie sich an den historischen Fakten orientiert, hat sie wenig zu tun mit dem Nikolaus (oder besser gesagt: dem Weihnachtsmann), der uns heute oft als rotwangige Schoko- oder Plastik-Figur begegnet, mit Rauschebart und rotem Mantel, mit derbem Schuhwerk und mehreren Rentieren vor dem bunt beleuchteten Schlitten. Die später legendenhaft ausgeschmückte Figur des heiligen Nikolaus hat vermutlich zwei historische Wurzeln: Bischof Nikolaus von Myra in Kleinasien, der im 4. Jahrhundert lebte, und Abt Nikolaus von Sion, Bischof von Pinora, der im 6. Jahrhundert in Lykien starb. In den Erzählungen und Legenden der Nachwelt sind diese beiden Figuren zu einem christlichen Wunder- und Wohl-Täter zusammengeflossen: Sankt Nikolaus, der oft mit dem Bischof Nikolaus von Myra identifiziert wird.

Mir ist die sympathische Figur dieses Heiligen im Gespräch mit meinen eigenen Kindern und auch in meiner Arbeit als Gemeindepfarrer sehr wichtig geworden. Gelegentlich habe ich diesen Nikolaus in Kindergruppen und Kindergärten auch selbst gespielt. Mit Bischofsstab und Mantel und selbstverständlich auch mit einer Mitra, der charakteristischen Kopfbedeckung. Verzichtet habe ich dagegen auf Rute und Knecht Ruprecht und das berühmte „Goldene Buch“ war so gestaltet, dass auch die Äußerungen der Kinder den Erwachsenen gegenüber darin Platz fanden. Nikolaus ist für mich nicht ein Richter und Mahner, sondern ein Ermutiger und Tröster, ein freundlicher Heiliger. Seine Haltung zu Kindern ist bleibendes Beispiel dafür, wie wir unsere Kirchenschätze sinnvoll und im besten Sinn gewinnbringend einsetzen können. Und damit meine ich nicht nur die finanziellen Ressourcen – die gewiss auch – aber ich meine auch unsere ideellen Schätze, die Geschichten der Bibel, unsere Kirchengebäude und ganz unbedingt auch unsere Gottesdienste, die liturgische Tradition, die Lieder. Wir sollten unsere Kinder so früh wie möglich daran teilhaben lassen, was uns beschäftigt und prägt. „Inklusion durch Bildung“ ist ein Schlagwort, dass die Evangelische Kirche in Deutschland, die Deutsche Katholische Bischofskonferenz und die griechischen Metropolie im Zuge der diesjährigen Interkulturellen Woche stark gemacht haben. „Jedes Kind braucht Bildung“ – davon bin ich überzeugt. Und jedes Kind braucht Vor-Bilder, die ihm diese Bildung vermitteln – die von ihrem eigenen Glauben erzählen, die Kinder einladen, ihren eigenen Glauben zu entdecken und so einen ganz wesentlichen Anteil an der Herzensbildung der ihnen anvertrauten kleinen Menschen haben. Jetzt, im Advent, ist eine wunderbare Zeit zum Geschichtenerzählen, zum Bücherlesen und Singen, eine Zeit, uns um die Kinder in unserem Umfeld besonders zu kümmern. Der „ökumenische“ Heilige Nikolaus kann uns dafür ein Vorbild sein.