Auf der Suche nach dem inneren Licht

Lichtsymbolik prägt die Adventszeit

27. November 2011

20111124_advent470

Advent - für viele Menschen ist diese Zeit ein Lichtblick in den dunklen Monaten des Jahres. Im wahrsten Sinne des Wortes: Umfragen zufolge schmücken vier von fünf Deutschen ihre Wohnung mit einem Adventskranz.

Der Sehnsucht nach Licht wird mit Kerzen begegnet - oder mit einem Ausflug auf einen der vielen bunt illuminierten Weihnachtsmärkte. So ziehen allein die beiden wohl berühmtesten Märkte, der Nürnberger Christkindlesmarkt und der 577 Jahre alte Dresdner Striezelmarkt pro Jahr jeweils etwa zwei Millionen Menschen an.

Auf halber Strecke zwischen beiden Großstädten liegt das Erzgebirge, das vielen als das deutsche "Weihnachtsland" gilt. Hier, wo jahrhundertelang nach Silber gegraben wurde, spielt die Lichtsymbolik eine besondere Rolle, schreibt Autor und Mundartdichter Manfred Blechschmidt: "Früher wollten die Familien dem Bergmann, der bei Nacht einfuhr, im Finstern in der Tiefe arbeitete und bei Nacht wieder ausfuhr, ein wenig Hoffnung, ein Fünkchen Sonne entgegenschicken." Sie schnitzten Lichter tragende Bögen und Engelfiguren und stellten sie in der Advents- und Weihnachtszeit hinter die Fenster.

Außerdem schufen sie von Kerzenwärme angetriebene Pyramiden, Nussknacker und Räuchermännchen. Das Schnitzen und Drechseln wurde schon bald ein wichtiges Zubrot für die meist armen Erzgebirgler.

Wer im Dezember ins Erzgebirge reist - etwa um eine der traditionellen Bergmannsparaden mitzuerleben - wird abends hinter fast jedem Fenster einen Lichterbogen oder Herrnhuter Adventsstern leuchten sehen. Die älteste frei stehende Großpyramide der Welt steht in Schwarzenberg. Am unteren Tor der alten Bergstadt im Westerzgebirge findet am 26. November das traditionelle "Pyramidenanschieben" statt: Dann beginnen die fast lebensgroßen Krippenfiguren auf fünf Etagen sich zu drehen.

Mit diesem Termin nehmen die Schwarzenberger den christlichen Festkalender ernst, wonach die Adventszeit am Vorabend des ersten Adventssonntages beginnt, also frühestens am 26. November. Das Jahr 2011 bietet demnach den längsten Advent, der kalendarisch möglich ist.

Das lateinische Wort "adventus" bedeutet Ankunft: die strahlende Ankunft eines göttlichen Retters bei den Menschen. Für die Christen ist dieser Erlöser Jesus Christus. Dass er arm und in einem dunklen Winkel des glanzvollen Römerreichs zur Welt gekommen sein soll, bedeutete eine Umdeutung aller Werte - nicht nur für die Antike.

Seit dem 4. Jahrhundert feiert die Kirche kurz nach der Wintersonnenwende das Geburtsfest Jesu Christi. Sie löste damit das Fest des Sol Invictus, des römischen Sonnengottes, ab und griff zugleich dessen Lichtsymbolik auf: Ab dem Fest werden die Tage wieder länger, das Licht kehrt zurück.

In Vorbereitung auf Weihnachten waren die Adventswochen seit dem frühen Mittelalter eine Zeit der Selbstbesinnung und inneren Umkehr. An den 40 Tagen vor dem Heiligen Abend wurde gefastet. Für Katholiken war das bis 1917 Pflicht.

Schwester Mechthild Fricke, Dominikaner-Nonne und Kontemplationslehrerin in Speyer, fastet in der Vorweihnachtszeit nicht. Aber sie sucht noch mehr als sonst die Stille und das innere Licht: "Der Advent sollte eine Zeit der Verinnerlichung sein, eine Zeit, in der ich mich von Dingen löse, die mich besitzen und unfrei machen."

Dieses innerliche Leerwerden sei die Vorbedingung für das, was der Mystiker Meister Eckhart (um 1260-1328) die Gottesgeburt in der Seele genannt habe. "Die Menschen versuchen, ihre tiefe Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit mit allen möglichen Dingen zu stillen - gerade im Advent." Aber die Gottesgeburt in der Seele geschehe im Schweigen, sagt Fricke. Das dürfte eher beim Betrachten einer Kerzenflamme als bei der Geschenkejagd auf einem dauerbeschallten Weihnachtsmarkt der Fall sein.