Ratsvorsitzender fordert Veränderungen

Nikolaus Schneider hat die Demonstrationen für ein gerechteres Finanzsystems als notwendig bezeichnet

18. Oktober 2011

20111018_schneider470

Der Ratsvorsitzende der EKD, Nikolaus Schneider, hält die weltweiten Demonstrationen für ein gerechteres Finanzsystem für legitim und notwendig. „Wir haben Maß und Mitte in wesentlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens verloren“, sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland in einem epd-Gespräch in Düsseldorf. „Diese Proteste weisen darauf hin, dass wir dieses Maß neu finden müssen.“

epd: Weltweit sind am Wochenende Menschen für ein gerechteres Finanzsystem auf die Straße gegangen, auch in Deutschland. Haben die Leute Recht?

Schneider: In der Barmer Theologischen Erklärung ist von der Verantwortung der Regierenden und der Regierten die Rede. Ich betrachte diese Proteste als Ausdruck der Verantwortung der Regierten, die zu den Zuständen in der Finanzwirtschaft Stellung nehmen. Sie gehen auf die Straße, um ihre Enttäuschung und ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Das ist nicht nur legitim, das ist auch notwendig. In der jüngsten Finanzkrise wurden mit erheblichen Staatsgeldern - also mit Mitteln der Bürger - die Banken gerettet. Dass nun in so kurzer Zeit schon die nächste Krise da ist, ist wirklich empörend.

epd: Stehen die Banken zu Recht am Pranger?

Schneider: Die Banken tragen sicher nicht die oberste Verantwortung. Aber die Gründe für diese zweite Finanzkrise haben auch mit den Banken zu tun: Die Staaten mussten sich enorm verschulden, um die Banken zu retten. Der Bankenlobbyismus hat zudem notwendige Veränderungen und Regulierungen verhindert. Auch die Einkommens- und Vermögensvorstellungen im Bankensektor bewegen sich jenseits gesunder Verhältnisse. Das durchschauen die Menschen.
Wir haben Maß und Mitte in wesentlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens verloren. Diese Proteste weisen darauf hin, dass wir dieses Maß neu finden müssen. Das ist zwar nicht nur eine Frage des Finanzsektors. Er gehört aber zu den strategischen Bereichen. Die Spekulation und das Investmentbanking haben eine viel zu hohe Bedeutung erlangt. Die Finanzierung der Realwirtschaft muss wieder der wesentliche Zweck des Bankensektors werden.

epd: Kann aus den Protesten eine Bewegung werden, die solche Veränderungen bewirkt?

Schneider: Das wird man sehen. Das Potenzial hat sie.