Schlechte Zeiten für Flutopfer

Die Spenden für das international isolierte Pakistan kommen nur spärlich

28. September 2011

Familie in einem Flüchtlingslager in Pakistan

Sanghar ist eine Geisterstadt. Im Süden Pakistans hat es vier Wochen lang am Stück geregnet, an vielen Orten steht das Wasser kniehoch. Die meisten Straßen sind von den Fluten beschädigt. Märkte und Schulen sind geschlossen. 90 Prozent der mehr als 60.000 Einwohner haben Sanghar verlassen. Wer bleibt, findet kaum etwas zum Überleben. Ein Jahr nach der großen Flut in Pakistan sind wieder sieben Millionen Menschen in dem asiatischen Land von Überschwemmungen betroffen. Hilfe kommt nur spärlich.

In der Region Sindh, in der Sanghar liegt, fällt der Strom seit Tagen aus, auch die Krankenhäuser stehen unter Wasser. Ärzte versorgen Patienten nur notdürftig außerhalb der Klinikstationen. Die Landstraße, die Sanghar mit den Großstädten Hyderabad und Nawabshah verbindet, ist seit dem 10. September unpassierbar.

Raza Khan, der eine kleine Apotheke führt, klagt, dass lebenswichtige Medikamente fehlen. Denn die Gefahr von Epidemien steigt. Eine halbe Million Menschen lebt bereits in den über 2.500 Notlagern. Um die 1,3 Millionen Häuser sind zerstört, und 80 Prozent der Ernte nach Angaben der Vereinten Nationen in den Fluten verloren.

Aber die Hilfe läuft nur langsam an. Denn internationale wie nationale Spender halten sich zurück. Der von Premierminister Yusuf Raza Gillani eingerichtete Nothilfe-Fonds hat laut der pakistanischen Zeitung "The News" kaum mehr als eine Million US-Dollar (740.000 Euro) erhalten. Das könne man ja nicht einmal "Peanuts"(Erdnüsse) nennen, kommentierte das Blatt. Die Nationalbank von Pakistan habe kaum mehr als eine halbe Million Rupien (rund 4.200 Euro) gegeben.

Mit der Spendenbereitschaft der internationalen Gemeinschaft ist es kaum besser bestellt. "Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass die Welt uns hilft", warnte Informationsministerin Firdous Ashiq Awan. Die internationale Gemeinschaft zeigt in der Tat eine Spendenmüdigkeit. Vor einer Woche appellierten die Vereinten Nationen an die Nationen, 357 Millionen Dollar (264 Millionen Euro) für die Versorgung der Flutopfer in Pakistan in den kommenden Monaten zu sichern.

Die Resonanz war spärlich: Bislang gibt es keine größeren Finanzzusagen. Nach Angaben des pakistanischen Außenministeriums versprach China 3,4 Millionen Euro, gab davon aber erst 37.000 Euro frei. Japan hat 333.000 Euro zugesagt, und der Iran will zwei Flugzeuge mit Hilfsgütern schicken. Die Zeitung "The News" macht den Ruf Pakistans als eines der korruptesten Länder der Welt für den Unwillen der Spender verantwortlich.

Doch die Gründe dafür dürften auch politischer Natur sein: Pakistan und die USA sind auf einem gefährlichen Konfrontationskurs. Im Mai hatten US-Agenten den Terror-Chef Osama bin Laden in Pakistan aufgespürt und getötet. Amerika beschuldigt die islamische Atommacht inzwischen offen, Terror-Gruppen zu unterstützen, die amerikanische Ziele angreifen. Pakistan ist international ziemlich isoliert - schlechte Zeiten für Flutopfer.

Aber das Ausmaß der Katastrophe ist so groß, dass sich selbst der Oberste Richter des Landes, Iftikhar Chaudhry, eingeschaltet hat. "Die Not der von der Flut betroffenen Menschen im Sindh steigt und sollte sofort angegangen werden", sagte er. Es sei Zeit für "echtes Handeln" und nicht für das "Abfassen von Berichten", kritisierte er. Die Regierung versicherte, sie tue ihr Bestes. Premier Gillani will die Fluthilfe nun persönlich überwachen.