Zu Fuß durch das Sonnensystem

Auf Planetenwegen können Spaziergänger mit Überlichtgeschwindigkeit unterwegs sein

02. September 2011

B lick ins Universum: Zentrum der Galaxie M 31

Spaziergänger auf einem Planetenweg sind locker mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit unterwegs. In gut einer Stunde lässt sich auf solchen astronomischen Lehrpfaden fast das ganze Sonnensystem durchwandern. Extrem verkleinert, aber maßstabsgetreu sind entlang der Strecken Modelle, Info-Tafeln oder Fotos von der Sonne und ihren Planeten ausgestellt. Etwa 80 dieser Lehrpfade gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der erste wurde vor 40 Jahren in der westfälischen Stadt Hagen installiert. Der Planetenlehrpfad in Wedel bei Hamburg feierte jetzt sein zehnjähriges Bestehen.

"Planetenwege sollen die unvorstellbaren Dimensionen und die riesigen Entfernungen in unserem Sonnensystem begreifbar machen", sagt der Wedeler Ingenieur Volker König (66), der den Lehrpfad an der Elbe im Jahr 2001 initiierte. Er beschaffte damals rund 35.000 Euro von privaten Sponsoren und sorgte dafür, dass der Weg behinderten- und blindengerecht angelegt wurde. Alle Infos entlang des Weges stehen auf Bronzetafeln auch in Blindenschrift zur Verfügung.

Die Sonne am Wedeler Elbdeich besteht aus Leichtbeton. Die gelbe Kugel hat einen Durchmesser von 1,39 Metern und entspricht somit der echten Sonne maßstabsgetreu in einem Verhältnis von 1:1 Milliarde. Eine Million Kilometer schrumpfen hier auf einen Meter. Das Licht, das in der Wirklichkeit rund 300.000 Kilometer pro Sekunde schnell ist, schafft in diesem Modell nur 30 Zentimeter pro Sekunde. "Ein Fußgänger ist also drei- bis viermal schneller", sagt König.

Besucher des Weges sind Wochenend-Ausflügler, Tagestouristen und Sternenfreunde aus dem ganzen Bundesgebiet. Auch Schülergruppen kommen gern zu Exkursionen, obwohl Astronomie in Deutschland kein ordentliches Lehrfach ist. "Das Interesse am Kosmos und seiner Entstehung wächst", sagt König. Der große Vorteil von Planetenwegen sei, dass sie ihre Informationen nicht nur theoretisch anbieten, sondern direkt erfahrbar machen - beim Wandern in der Natur und in frischer Luft.

Die Planeten sind entlang des Elbdeich-Weges als Halbkugeln auf Bronzetafeln befestigt und lassen sich daher auch ertasten. 60 Meter von der Sonne entfernt befindet sich der nicht einmal erbsengroße Planet Merkur, 48 Meter weiter folgt die Venus, so groß wie eine kleine Kirsche. Nur wenig größer ist dann die Erde, mit einem Durchmesser von 1,2 Zentimetern und einem 150-Meter-Abstand von der Sonne.

Der Mars (0,7 Zentimeter groß) ist im Modell bereits 228 Meter von der Sonne entfernt, zum Jupiter sind es weitere 550 Meter. Der größte Planet des Sonnensystems ist im Modell mit 14 Zentimeter Durchmesser etwa so groß wie eine Grapefruit. Die Distanz zum Ringplaneten Saturn beträgt von der Sonne 1,4 Kilometer, der Uranus ist bereits 2,8 Kilometer entfernt. Zum Neptun, mit fünf Zentimeter Durchmesser etwa so groß wie eine Aprikose, müssen knapp 4,5 Kilometer zurückgelegt werden.

Wer den Zwergplaneten Pluto besuchen will, muss die Stadt Wedel verlassen und bis in die knapp sechs Kilometer entfernte Gemeinde Hettlingen (Kreis Pinneberg) laufen. Im Modell misst Pluto nur 0,2 Zentimeter Durchmesser. Weil auch der "echte" Pluto nicht einmal so groß ist wie der Erdenmond, wurde ihm im August vor fünf Jahren der Planetenstatus aberkannt. Offiziell ist der Neptun der letzte der acht Planeten des Sonnensystems. Der nächstgelegene Stern Alpha Centauri mit einer echten Entfernung von 4,3 Lichtjahren wäre im Maßstab des Planetenweges über 40.000 Kilometer entfernt.

Kein Problem mit solchen Distanzen gibt es rund um das Radioteleskop Effelsberg in der Eifel: Hier haben Sternfreunde in den vergangenen Jahren einen "Milchstraßenweg" und einen "Galaxienweg" angelegt. Dabei schnurren Millionen von Lichtjahren in der Vorstellung zu wenigen Minuten zusammen. Weltall-Wanderer können hier sogar unversehens am Rand des bekannten Universums stehen.