Mit Talar und Badehose

Hunderte Kurseelsorger helfen zwischen Nordsee und Alpen in Urlaubsgebieten aus

02. August

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Holger Hiepler macht auf der ostfriesischen Insel Juist so etwas ähnliches wie Ferien - obwohl er hier zeitweise arbeitet. Im Gepäck hat er neben seiner Badehose auch einen Talar. Hiepler ist evangelischer Pastor und für drei Wochen als Kurseelsorger zuständig für die Urlauber auf der Insel. "Mal wieder", sagt er mit einem Schmunzeln. "Die Insel lässt mich nicht los." Er ist einer von mehreren hundert deutschen Pfarrern, die in der Urlaubszeit ihre Kollegen in den Feriengebieten unterstützen.

Auf der langgestreckten Insel ohne Autoverkehr geht es ruhig und besinnlich zu. "Das Leben ist hier langsamer als auf dem Festland", sagt der 48-Jährige und blickt ein wenig versonnen dem Insel-Taxi nach, das von zwei Pferden gezogen wird. "Ich kann intensiver nachdenken und Dinge gedanklich zu Ende bringen." Vor allem muss er sich nicht um die lästigen Verwaltungsfragen in seiner Gemeinde kümmern.

"Die Ruhe hier tut gut", sagt Hiepler. Alles was stresst, versucht er zu Hause im niedersächsischen Drage-Drennhausen an der Elbe zu lassen. Dort ist er mit einer Kollegin für drei Kirchengemeinden verantwortlich. "Darum habe ich auch meinen Laptop nicht mitgenommen. Sonst würde ich ständig E-Mails lesen und beantworten."

Im Wechsel mit der Inselpastorin Elisabeth Tobaben predigt Hiepler am Sonntag in der vollen Inselkirche, hält Andachten und ist ansonsten für die Inselgäste da: "Urlauber gehen gerne in die Kirche - besonders dann, wenn das Wetter schlecht ist", berichtet er. Oft wird er auf die Predigt angesprochen oder um seelsorgerlichen Rat gebeten. "Die Leute haben auf der Insel die gleichen Sorgen wie zu Hause. Aber im Urlaub fällt es ihnen leichter, mit einem Pastor darüber zu sprechen." (epd)

In der Urlaubszeit arbeiten Hunderte Pastorinnen und Pastoren zwischen Flensburg und Berchtesgaden als Kur- und Urlauberseelsorger. Vor allem in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Baden-Württemberg und in Bayern sind die Theologen in den Ferienorten ansprechbar. In Bayern arbeiten neben den mehr als 80 Kurseelsorgern auch fast 50 Kantoren, die ihre Kollegen vertreten.

Die hannoverschen Landeskirche fordert ihre Pastorinnen und Pastoren ausdrücklich auf, alle paar Jahre für zwei bis drei Wochen als Kurseelsorger zu arbeiten, sagt Hartmut Schneider, der den Einsatz von rund 100 Pastoren an 20 Einsatzorten zwischen Borkum und dem Harz von Aurich aus koordiniert. "Die Auszeit von der eigenen Gemeinde und die neue Anerkennung der eigenen Arbeit tut den Leuten gut." Ihm ist wichtig: "Die Kurseelsorger sind eine Unterstützung der Ortspastoren - keine Vertretung."

Elisabeth Tobaben ist froh über jede Unterstützung. Alljährlich kommen rund 100.000 Gäste auf die Insel. Während der Hauptsaison sind ständig etwa 10.000 Urlauber gleichzeitig da. "Ich bin auch noch für die 800 evangelischen Insulaner verantwortlich, die im Sommer immer ein wenig zu kurz kommen".

Ehrenamtliche Gemeindehelfer sind auf den Inseln Mangelware. "Alle Jugendlichen müssen mit 16 Jahren aufs Festland, um dort die weiterführenden Schulen zu besuchen. Und die Insulaner haben in der immer länger dauernden Saison genug mit ihren eigenen Gästen zu tun", beschreibt die Pastorin die Situation.

An Kurseelsorgern mangelt es indes auf der Insel nicht: Mittlerweile hat Tobaben einen festen Stamm von 15 Pastoren aus dem ganzen Bundesgebiet, die sich die Klinke in die Hand geben. "Das sind Kollegen aus dem Rheinland, Westfalen, Württemberg, Niedersachsen und Bayern." Einer reist sogar regelmäßig aus Österreich an.

Bis zur Abendandacht sind es noch ein paar Stunden hin. Und erstmals seit Tagen dringt die Sonne wieder durch die Wolkendecke. Während Tobaben zu einem Gespräch mit dem Inselbestatter eilt, greift Hiepler zu einer Tasche und macht sich auf den Weg in Richtung Strand. Ganz leger in Jeans, T-Shirt und Sandalen. Denn ein Urlauberseelsorger arbeitet auf der Insel ja nur zeitweise.