Kloster im Knast

Das Frauengefängnis in Schwäbisch Gmünd bietet Insassinnen Meditationswochen an

21. Juli 2011

Frauengefängnis in Schwäbisch Gmünd bietet Insassinnen Meditationswochen an

Schwäbisch Gmünd (epd). Schweigend, fast regungslos, warten die Frauen in der Justizvollzugsanstalt Gotteszell in Schwäbisch Gmünd auf das Mittagsgebet. Das Eichenholz des Chorgestühls in der ehemaligen Klosterkapelle knarzt. Dort, wo 600 Jahre lang dominikanische Nonnen beteten, sitzen nun Frauen, die wegen Taten wie Drogenhandel, Betrug oder Totschlag zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. "Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein ", erhebt sich der Gesang in den hohen Raum. "Um Frieden, um Freiheit, um Hoffnung bitten wir " Drei Gongschläge beenden das Mittagsgebet.

Eine Woche lang leben die Frauen in einer Klostergemeinschaft. Für diese Zeit beziehen sie einen eigenen Gefängnistrakt - fernab von den anderen Insassinnen. Jede Frau erhält eine laminierte Papp-Ikone für ihre Gefängniszelle, die in dieser Woche zur Klosterzelle wird. Sie sind von allen üblichen Abläufen in der Justizvollzugsanstalt freigestellt, können sich ganz auf Stille, Gebet und Meditation konzentrieren. Eine Klosterwoche im Gefängnis.

Die Idee stammt von der evangelischen Gefängnisseelsorgerin Susanne Büttner. "Wenn Menschen eine Lebenskrise haben oder Sinn für ihr Leben suchen, können sie in Klöster oder Einkehrhäuser gehen", sagt die württembergische Pfarrerin. "Dies soll auch inhaftierten Menschen möglich sein". Zusammen mit der Meditationslehrerin Heike Rosengarth-Urban begleitet Büttner die Frauen, die sich auf das Projekt "Kloster im Gefängnis" eingelassen haben.

Jeder Tag beginnt um sieben Uhr im Theatersaal des Gefängnisses mit Atem- und Körperübungen und dem "Sitzen in der Stille". Drei Tagzeitgebete in der Klosterkirche gliedern den Tag. Nach der benediktinischen Regel "Ora et labora" - bete und arbeite - muss jede Frau eineinhalb Stunden lang schweigend Essen zubereiten, spülen oder Gartenarbeit verrichten. Tägliche Einzelgespräche mit den Seelsorgerinnen sind verpflichtend. An drei aufeinanderfolgenden Tagen wird völlig geschwiegen.

Der Gong läutet. Zeit fürs Mittagessen. Unter freiem Himmel im sogenannten Nonnenhof gibt es Gemüseeintopf und Brötchen. Margit Schauffler (Name geändert) ist schon zum dritten Mal bei der Klosterwoche dabei. "Ich mag die Stille, das Schweigen. Es kommen viele verdrängte Gedanken in mir hoch, aber ich werde damit nicht alleine gelassen", sagt die Frau mit dem schwarzen Kurzhaarschnitt und den ernsten dunklen Augen.

Helga Obermaier (Name geändert) verteilt Servietten auf dem Tisch und Papierherzchen. Sie genießt es, vom "Hick-Hack des Gefängnisalltages" abzuschalten. Doch auch sie konnte die Ruhe in den drei Schweigetagen nur schwer aushalten.

"Ich habe mich gefragt, wie es wäre, wenn ich nicht im Gefängnis wäre und all das nicht geschehen wäre", erzählt sie in breitem Schwäbisch. Schon jetzt hat sie Angst davor, was passiert, wenn sie entlassen wird. "Nicht alle werden froh sein, wenn sie mich sehen. Manche werden auf mich zeigen und sagen: Da ist die Bitterbös, die hat mich um mein Geld gebracht."

Die Stille-Übungen könnten helfen, sich unangenehmen Dingen und Gefühlen zu stellen, sagt Susanne Büttner. "Die Stille ist die Grundlage für ein Zulassen von Schmerz, Scham und Schuld."

Und die Theologin ist sich sicher: "Es gibt keine Teilnehmerin an der Klosterwoche, die ihre Tat nicht rückgängig machen will." Viele der Frauen vermissten zudem ihre Kinder und ihren Partner. "Nicht nur Opfer müssen mit der Tat leben - auch die Täterinnen."

Für Helga Obermaier ist die Meditationswoche "Luxus für die Seele". Sie schreibt in einem Gedicht: "14 Stunden täglich beten, meditieren, Stille, Ruhe. Wir werden angenommen, genau so wie wir sind. Dunkle Wolken werden weggetragen und der Sonnenschein kommt in der Seele an."

Höhepunkt eines jeden Klostertags ist der Besuch der Franziskanerinnen aus der unmittelbaren Nachbarschaft in Schwäbisch Gmünd. Sie kommen in die Kirche des Gefängnisses, um gemeinsam mit den Frauen das Abendgebet zu verrichten. "Immer, wenn die Nonnen kamen, ging mir das Herz auf", sagt die inhaftierte Sevda Halil (Name geändert) am Ende der Woche.

Besonders beeindruckt hat sie ein meditativer Tanz, den die Franziskanerinnen ihnen beibrachten. "Die Schwestern standen im Kreis und tanzten so sehr, dass sich sogar ihre Röcke hoben", erinnert sich Halil lächelnd, während sie sich eine Zigarette ansteckt. "Irgendwie sind wir ja auch Nonnen - in einer Zelle, ohne Männer, ohne Luxus, aber mit viel Zeit."