Wenn die Bulldozer die Menschen vertreiben

Fruchtbares Land dient zum Anbau von Pflanzen zur Energieherstellung

06. Juli 2011

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Eigentlich war das Gelände als Ackerland und Viehweide gedacht. Die mosambikanischen Bauern, die in das Gebiet an der Grenze zu Südafrika umgesiedelt worden sind, wollten sich hier eine neue Existenz aufbauen. Doch der weltweite Hunger nach erneuerbaren Energien machte den Kleinbauern einen Strich durch die Rechnung. Tausende von Hektar fruchtbaren Landes hat die Regierung kurzerhand Investoren aus dem Nachbarland Südafrika zugesprochen, um Zuckerrohr anzubauen – den Grundstoff zur Herstellung von Ethanol, das als Beimischung zum Benzin Autofahren umweltfreundlicher machen soll.

Mosambik ist nur ein Beispiel für die Umnutzung von fruchtbarem Land in Afrika, Lateinamerika oder Asien – in Ländern, in denen oft die Mehrheit der Bevölkerung hungert. Das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ warnt davor, dass die westliche Klimaschutzpolitik zu Lasten armer und rechtloser Menschen in Ländern des Südens geht. Immer mehr könnten ihrer Lebensgrundlage beraubt werden, wenn Agrotreibstoffe im Zuge des Klimawandels immer attraktiver werden.

Südafrikanische und brasilianische Experten im Zuckerrohr-Anbau haben das Know-how nach Mosambik gebracht. Große Bulldozer haben das Land von Büschen und Bäumen freigeräumt. Nun müssen die Bewohner der neu angelegten Dörfer ihre Tiere in fünf Kilometer Entfernung auf die Weide bringen. Vor ihren Häusern ist ihnen nur noch wenig Land für den Anbau geblieben. Wollen sie Anspruch auf das Land erheben, müssten sie den Rechtsweg beschreiten. Doch die dafür nötigen Anwälte können sie sich nicht leisten.

Weil allein die Kosten des Verfahrens lange Zeit Klagen verhindert haben, hat „Brot für die Welt“ Kooperativen von Bauern gefördert, die Landtitel eingeklagt haben, um sicher zu sein, dass sie nicht eines Tages von ihrem Land vertrieben werden. Der Hunger nach agrarischen Rohstoffen zur Energiegewinnung führt nach Ansicht der Menschenrechtsexperten von „Brot für die Welt“ häufig zu massiven Menschenrechtsverletzungen.

Viele Fälle von Vertreibungen von Kleinbauern von dem von ihnen genutzten Land, um große Plantagen anzulegen, sind auch aus Ländern wie Brasilien, Argentinien oder Tansania bekannt. Oft müssen die früheren Bauern sich dann zu Hungerlöhnen dann als Tagelöhner auf diesen großen Plantagen verdingen. Zugleich werden durch die Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen die Preise für Nahrungsmittel in die Höhe getrieben. Das heißt, dass mehr Arme hungern müssen.

„Brot für die Welt“ und der Evangelische Entwicklungsdienst haben kürzlich auf ein eklatantes Beispiel in Sierra Leone hingewiesen. Das westafrikanische Land zählt zu den ärmsten Staaten der Welt. Doch die Ethanolherstellung der Schweizer Firma Addax Bioenergy in dem Land bedroht die Menschen im Norden des Landes. Die beiden evangelischen Hilfswerke haben zu dem Fall eine Studie vorgestellt und die Überprüfung auf menschenrechtliche Standards gefordert.

Das Schweizer Unternehmen hat in Sierra Leone 57.000 Hektar Land gepachtet. Auf 12.000 Hektar wird Zuckerrohr angebaut, um daraus Ethanol für den europäischen Markt herzustellen. „Viele Bauern im Norden haben große Teile ihres Ackerlandes an Addax verpachtet. Sie glaubten, dass sie sich mit dem angebotenem Ersatzland versorgen könnten“, erläuterte Francisco Mari, Agrarhandelsexperte des Evangelischen Entwicklungsdienstes. Addax habe aber versäumt, die Ersatzflächen rechtzeitig zur Aussaat zu roden und zu pflügen. Eine vom „Netzwerk für Nahrungssicherheit“ vorgestellte Studie belegt, dass den Familien der Kleinbauern nicht genügend Nahrung zur Verfügung stehe.

„Mitten in der Erntezeit werden jetzt in den betroffenen Dörfern die Vorräte knapp. Für die Regenzeit befürchten wir Hunger in der Region“, so Karen Neumeyer, Kampagnenkoordinatorin bei "Brot für die Welt". Die Studie erhebe zudem schwere Vorwürfe gegen Addax, was den Zugang zu sauberem Wasser angeht. „Die Umleitung zweier Zuflüsse haben beispielsweise in einem Dorf die Bäche versiegen lassen, sauberes Wasser ist für die Menschen nicht mehr vorhanden“, so Neumeyer weiter. Neumeyer kritisiert den Umgang mit den Betroffenen als menschenverachtend. (Brot für die Welt)