Zeichen der Versöhnung auf zwei Rädern

Russische und deutsche Motorradfahrer auf friedlicher Mission durch Deutschland

30. Juni 2011

Russische und deutsche Motorradfahrer auf friedlicher Mission durch Deutschland (Foto: EKD)

Strafbat, The Hooligans, Desperados: Verwegen klingen die Namen der russischen Motorradfahrer. Unterwegs sind sie in friedlicher Mission quer durch Deutschland – begleitet von Freunden aus der christlichen Motorradfahrerszene.

Begonnen hat die Tour in St. Petersburg am Gedenktag des deutschen Überfalls auf Russland, dem 22. Juni. Auf dem Gedenkfriedhof Piskarewskoje wurde der Opfer der 900-tägigen Hungerblockade und der Toten des Krieges gedacht.

Initiiert hatte das Matthias Zierold, als EKD-Pfarrer entsandt an die lutherische St. Petrikirche in St. Petersburg. Zierold ist selbst begeisterter Motorradfahrer, erfahren in Motorradgottesdiensten und bei der Seelsorge dieser besonderen Klientel. Mit dem orthodoxen Priester Vater Wjatscheslaw Charinow fand er einen ebenso motorradbegeisterten und Motorrad fahrenden Partner, um diese Gedenktour zu organisieren.

Erstmals gelang das bereits 2010 in St. Petersburg. Der Motorradkorso führte zu einem Ort vor den Toren der Stadt, an dem hunderttausende Sowjetsoldaten ihr Leben ließen, um die Versorgung der belagerten Stadt aufrecht zu erhalten. Er führte auch zum deutschen Soldatenfriedhof in Sologubowka, auf dem hunderttausend deutsche Soldaten ihre letzte Ruhestätte fanden. Begleitet wurde diese Ausfahrt geistlich mit Andacht, dem Gebet für die Verstorbenen in orthodoxer Tradition und der Segensbitte.

In diesem Jahr führt die gemeinsame russisch-deutsche Motorradtour quer durch Deutschland zu verschiedenen Gedenkstätten der Kriegstoten. In Bergen-Belsen wurde neben dem Schreckensregime der nationalsozialistischen Konzentrationslager auch an die unzähligen russischen Kriegsgefangenen erinnert, die dort umgekommen sind. Wer überlebte, den erwartete nach dem Krieg oft der Vorwurf der Feigheit und erneut das Lager, diesmal das sowjetische.

Die gemeinsame Motorradtour erzeugt jedoch nicht nur die Betroffenheit des Gedenkens. Sie trägt gerade in ihrer unkonventionellen Art zur Verständigung zwischen Russen und Deutschen bei. Ein gemeinsames Hobby, das Motorradfahren, verbindet und schafft so Voraussetzung für gegenseitiges Verständnis. So wird diese Motorradfahrt zu einem Zeichen der Versöhnung.

Als Zeichen der guten deutsch-russischen Beziehungen gerade auch im kirchlichen Bereich, führte der Weg auch beim Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland vorbei. Am Montagabend rollten etwa 40 Biker mit ihren Maschinen nach Hannover. Bischof Martin Schindehütte, verantwortlich für Ökumene und Auslandsarbeit, begrüßte die Gruppe. Er erinnerte an den Anlass und das Anliegen dieser „Versöhnungsfahrt“ und betete für ein gutes Gelingen dieser Fahrt. Vater Wjatscheslaw Charinow sprach seinen Dank für die Gastfreundschaft und Begleitung aus und verwies auf die „Solidarität und das gegenseitige Verständnis zwischen den Konfessionen“ an dieser Stelle. Er erinnerte daran, dass dieses Gedenken aber nicht nur die Christen zusammenführt, sondern auch Agnostiker und Atheisten einzubeziehen vermag und wies damit auf die bunte Zusammensetzung dieser Gruppe hin. Noch unter dem Eindruck des in Bergen-Belsen Erfahrenen würdigte er „den Mut und die Historizität, mit denen unsere deutschen Freunde diese Ereignisse zeigen.“

So wird diese Gruppe noch weitere Stationen auf ihrem Weg durch Deutschland wahrnehmen. Die Gedenkstätte Buchenwald, Kriegsgräber, die Frauenkirche in Dresden, die Seelower Höhen bei Frankfurt an der Oder, ein Ort, an dem am Ende des 2. Weltkriegs innerhalb weniger Tage über 100.000 Soldaten ihr Leben verloren.

Am kommenden Sonntag wird die Gruppe beim Gottesdienst im Berliner Dom mit dem Ratsvorsitzenden der EKD, Präses Nikolaus Schneider, zu Gast sein. Und Bundespräsident Christian Wulff wird am Montag mit einem Empfang auf Schloss Bellevue auch die politische Wertschätzung für dieses Zeichen der Versöhnung zum Ausdruck bringen.

Ungewöhnlich ist diese Veranstaltung in mehrfacher Hinsicht. Kirchlich initiiert, ökumenisch orientiert, versöhnlich gestimmt vermag sie Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und Prägung zu verbinden. Es bleibt nur zu wünschen, dass aus dieser zweiten deutsch-russischen Versöhnungsfahrt im Zeichen des Friedens und Gedenkens eine regelmäßige Tradition wird. Und vielleicht kommen in dem vielfältigen europäischen Netzwerk der Versöhnungsarbeit auch einmal polnische, dänische, britische und noch viele andere begeisterte Motorradfahrer hinzu.