„Kirche bietet Heimat - in neuen kirchlichen Formen“

1. Land-Kirchen-Konferenz der EKD vom 14. bis 16. Juni 2011 in Gotha

11. Juni 2011

Land-Kirchen-Konferenz

Blauer Himmel umgibt die Kirche. Der Turm ragt stolz in die Höhe. Das Grün der Bäume auf dem gepflegten Dorfplatz verspricht Ruhe und Gelassenheit. Postkartenwetter. Die Kirchturmuhr steht auf zwanzig nach Vier. Kein Gedanke daran, dass sie auch Fünf vor Zwölf anzeigen könnte.

Das Foto zeigt die Kirche in Nöbdenitz, Kirchenkreis Altenburger Land, Evangelische Kirche in Mitteldeutschland. Der Internetaufritt des Kirchenkreises verrät, dass zum Pfarramt nicht weniger als 17 Kirchengemeinden gehören. Das Pfarramt jedoch sei vakant und würde „nach der für 2013 zu erwartenden Strukturreform wahrscheinlich nicht wiederbesetzt“.

„Das ist nicht mehr der neueste Stand“, verrät Dietmar Wiegand, einer von zwei Pfarrern im benachbarten Schmölln, einem 13.000 Einwohner zählenden Städtchen. „Nöbdenitz gehört seit diesem Jahr zu meinem Pfarramtsbereich.“ Der umfasst nun 10 Kirchdörfer plus einen Seelsorgebezirk in der Stadt. „Die Dörfer und damit auch die Kirchengemeinden werden mittelfristig noch kleiner werden. Das sind die Bedingungen, unter den wir planen und arbeiten.“ Der Pfarrer ist dennoch optimistisch: „Aber die Kirche bleibt. Sie ist eine Gabe und Aufgabe für das ganze Dorf. Und wir tun viel dafür, dass die Dorfbewohner sich mit ihrer Kirche identifizieren können."

Die neueste Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung führt den Landkreis Altenburg auf Platz 390 der 413 Landkreise Deutschlands. Die deutsche Bevölkerung schrumpft und wird im Durchschnitt deutlich älter. Das trifft im Besonderen die Regionen im Osten. Aber längst nicht mehr allein. Unterdessen verliert auch ein Drittel der westdeutschen Landkreise Bevölkerung. Vor allem das Fehlen junger Menschen fällt ins Gewicht. Junge Erwerbstätige und damit jene Menschen, die Familien gründen können, zieht es in die urbanen Zentren und deren Umland.

Das Problem ist bekannt. Es bildet eines der Schwerpunktthemen im Reformprozess „Kirche im Aufbruch“ der EKD. Unter dem Titel „Auf dem Land daheim“ werden sich über 70 Pfarrer/innen aus allen Landeskirchen auf der 1. Land-Kirchen-Konferenz vom 14. - 16. Juni in Gotha mit den Herausforderungen von Kirche in solchen ausgedünnten Regionen beschäftigen.

Die Land-Kirchen-Konferenz geht zurück auf einen Impuls von Landpfarrer/innen, die im Juni 2010 vom Kirchenamt der EKD in Hannover zu einem Konsultationstag geladen waren. Damals wurde der Wunsch ausgesprochen, analog der bereits bestehenden Citykirchen-Konferenz ein Forum für kirchliches Leben und Arbeiten auf dem Land zu schaffen. Fragen warten auf Antworten: Was ist zu tun, wenn die Zahl der Ortsgemeinden pro Pfarrer/in zu zahlreich, die Zahl der Mitarbeiter/innen zu gering, die Gottesdienstgemeinde schwach wird?

Dietmar Wiegand bekennt: „Es ist ein Spagat, den wir betreiben, zwischen Regionalisierung und Beheimatung. Wir bündeln die Kräfte. Zum Beispiel laufen die kirchliche Arbeit mit Kindern und die Konfirmandenarbeit längst zentral. Aber jedes Dorf braucht auch etwas Eigenes. Die Dorfbewohner sollen stolz sein können auf ihre Kirche und dazu müssen sie Kirche vor Ort auch erleben. Das wird umso wichtiger, je kleiner die Zahlen werden."

Oberkirchenrat Thorsten Latzel ist einer der Verantwortlichen für die Land-Kirchen-Konferenz im Kirchenamt der EKD.  Er sagt: „Es darf keinen Rückzug von Kirche aus ohnehin ausgedünnten Lebens¬räumen geben. Aber Kirche kann auch nicht mit einem Weiter-So reagieren.“ Die Zukunft von Kirche in der Fläche hat im Rahmen des Reformprozesses unterdessen einen hohen Stellenwert. „Wenn eine Pfarrerin/ein Pfarrer z.B. mehr als 17 Kirchengemein¬den betreuen muss, ist eine kritische Schwelle überschritten – die Präsenz von Kirche geschieht dann auf Kosten jener Menschen, die in diesen Strukturen arbeiten. In solchen Regionen braucht es keine Prozessoptimierung, sondern eine Verän¬de¬rung des Systems kirchlicher Präsenz.“

Dieser Herausforderung will sich die Land-Kirchen-Konferenz stellen. Dabei ist sie zuvorderst die Plattform für einen Erfahrungsaustausch. Latzel ist hoffnungsfroh: „Wir behaupten, dass es landauf landab bereits viele gute Lösungsansätze gibt. Wir müssen die Projekte mit Modellcharakter nur bekannt machen. Was wir uns in Gotha wünschen, ist der lebendige Austausch kirchlicher Praktiker, sind Bilder von gelingender Kirchlichkeit in ausgedünnten Regionen. Wir wollen dazu beitragen, gemeinsam neue Wege für den haupt- und ehrenamtlichen Ein¬satz zu finden.“

Die Land-Kirchen-Konferenz ist zusammen mit Praktiker/innen für Praktiker/innen vorbereitet worden. Neben einer soziologischen Sicht auf den demografischen Wandel wird darauf geschaut werden, wie Kirche in früheren Jahrhunderten auf das Problem ausgedünnter Landschaften regierte. Geplant ist ein Podium für Praxisideen nach Art der aus Londons Hyde Park bekannten Speakers Corner. Darüber hinaus sind ausführliche Exkursionen in der gastgebenden Region vorgesehen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus ganz Deutschland, von Kiel im Norden bis Biberach im Süden, von Traben-Tarbach im Südwesten bis Großhennersdorf im Osten. Als besondere Gäste werden die Ministerpräsidentin von Thüringen, Christine Lieberknecht, und die Präses der EKD-Synode, Katrin Göring-Eckardt, erwartet.

Pfarrer Wiegand schaut ein wenig neidisch nach Gotha. Er selbst wird nicht dabei sein können. „Aber ich bin gespannt auf die Impulse, die von der Konferenz ins Land getragen werden. Im Übrigen macht es richtig Freude, mit den Nöbdenitzern Veranstaltungen für Gemeinde und Dorf zu planen. Für neue Ideen sind sie seit jeher offen und dankbar.“