"Heiliger aus dem Böhmerwald"

Johann Nepomuk Neumann gilt vielen als Patron der deutsch-tschechischen Beziehungen

18. Juni 2011

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Prag (epd). Von dem überlebensgroßen Porträtbild in Öl blickt ein junger Mann mit nachdenklicher Miene auf den Betrachter: Johann Nepomuk Neumann (1811-1860), Heiliger aus einer deutsch-böhmischen Familie, einst jüngster Bischof in den USA.

Das Porträt schmückt die Pfarrkirche von Neumanns böhmischem Heimatort Prachatice im heutigen Tschechien. Hier ist er 200 Jahre nach seiner Geburt allgegenwärtig. Am 18. Juni erinnert Prachatice mit einer Wallfahrt an den großen Sohn des Ortes. Erwartet werden mehrere tausend Gäste aus aller Welt, darunter Hunderte aus Deutschland.

Das deutsch-tschechische Verhältnis hat mit dem böhmischen Heiligen einen inoffiziellen Patron. "Er ist in gewisser Weise eine Symbolfigur für die deutsch-tschechischen Beziehungen", sagt Jan Heinzl, der Geschäftsführer der tschechischen Ackermann-Gemeinde. Dieser christliche Verband arbeitet an der Aussöhnung zwischen beiden Ländern und ist auch an der Organisation der Wallfahrt beteiligt. "Am Beispiel Neumanns können wir sehen, wie gut das Miteinander von Tschechen und Deutschen in der Vergangenheit funktioniert hat", sagt Heinzl.

Der Ort Prachatice im Süden Böhmens war vor dem Zweiten Weltkrieg von deutsch- und tschechischstämmigen Bürgern bewohnt. Johann Nepomuk Neumanns Vater kam aus Deutschland, seine Mutter aus Tschechien, er sprach beide Sprachen. Schon der Name sollte Brücken schlagen: Johannes Nepomuk ist einer der wichtigsten tschechischen Patrone, nach ihm benannte sein deutscher Vater den Sohn.

Heute ist Neumann in einem Seitenflügel der Kirche von Prachatice gleich eine ganze Kapelle geweiht. In ihr steht auch der Taufstein, an dem Neumann als Kind getauft worden ist. Ein paar hundert Meter hinter der Kirche, versteckt im mittelalterlichen Ortskern, ist sein Geburtshaus zu sehen, das heute zum örtlichen Spital gehört.

Wenn der Pfarrer von Prachatice, Josef Slacik, Johann Nepomuk Neumanns Namen ausspricht, klingt in seiner Stimme Stolz mit. "Der Heilige aus dem Böhmerwald", so nennen sie hier den großen Sohn der Stadt. Berühmt wurde er allerdings fern der Heimat in den USA.

"Schon im Studium las er begeistert die Briefe von amerikanischen Missionaren", sagt Pavel Liska, sein Biograf. Dass er schon gleich nach dem Studium in die Welt gezogen ist, lag an den vielen Priestern, die es zu seiner Zeit in Böhmen gab: Die neuen Kandidaten mussten jahrelang auf ihre Weihe warten.

Und so entschied sich Johann Nepomuk Neumann für sein großes Lebensabenteuer - er schiffte sich nach Amerika ein, wo Geistliche händeringend gesucht wurden. Dort stieg der junge Priester aus dem alten Europa schnell auf. Er trat in den römisch-katholischen Orden der Redemptoristen ein und wurde rasch zu deren höchstem Vertreter in Amerika.

1852 dann erhielt er die Weihe zum Bischof von Philadelphia - mit 41 Jahren war er der jüngste Bischof in Nordamerika, und er stand der größten Diözese des Landes vor. Er baute Schulen und Kirchen und gilt bis heute als einer der wichtigsten Glaubensväter im Amerika der Besiedlungszeit.

Den Kontakt zu seiner böhmische Heimat brach Johann Nepomuk Neumann über die vielen Jahre niemals ab. Lange Zeit ist er allerdings fast in Vergessenheit geraten, daran konnte auch seine Heiligsprechung im Jahr 1977 wenig ändern.

Derzeit aber erlebt er eine regelrechte Renaissance: "Bei den Taufen hier in der Umgebung werden immer häufiger Kinder nach Johann Nepomuk Neumann benannt", sagt Pfarrer Josef Slacik. Für ihn ist das ein Zeichen der Hoffnung: Tschechien ist das atheistischste Land Europas. "Wenn aber einer anfängt, sich aus regionalem Interesse mit Johann Nepomuk Neumann zu beschäftigen, kommt er automatisch mit der Kirche in Kontakt", sagt Slacik: "Für uns ist das natürlich eine Chance."