Evangelische Gemeinde auf Kreta

Vom Experiment mit offenem Ausgang zur lebendigen Gemeinschaft

22. März 2011

Bucht von Malia

Seit 2004 beauftragt die EKD Pfarrer und Pfarrerinnen im Ruhestand mit dem kirchlichen Dienst auf Kreta. Auf der größten Insel Griechenlands wohnen dauerhaft rund 1.500 Deutschsprachige. Manche leben seit vielen Jahren in binationalen Familien, andere sind als Pensionäre nach Kreta gezogen, um ihren Traum vom Leben im Süden zu verwirklichen.

Dass ein deutscher Seelsorger auf Kreta wirkt, geht auf die Initiative von Pfarrer Jürgen Henning zurück. Als Leiter der Gemeinde Athen hatte er auch die Evangelischen im fernen Kreta zu betreuen. Nun gibt es dort einen eigenen Inselpfarrer. Die EKD trägt die Reisekosten sowie eine kleine Aufwandsentschädigung und bezuschusst die Wohnungkosten.

Was als Experiment mit offenem Ausgang begonnen hatte, erwies sich als Erfolg. Tatkräftige und ideenreiche Pfarrer und Pfarrerinnen haben zusammen mit den Menschen vor Ort eine lebendige Gemeinschaft geschaffen. Auch ohne eigene Räumlichkeiten werden regelmäßig Gottesdienste an drei Predigt-Orten gehalten: Heraklion (dort wohnt der Pfarrer), Chania im Westen und Elounda im Osten Kretas. Das wird durch die brüderliche Gastfreundschaft von katholischen und orthodoxen Gemeinden ermöglicht. Gottesdienste im Freien oder auch in einer Taverne oder in einer Höhle sind nicht ungewöhnlich. Bis heute ist die kleine Schar ohne eigenen Besitz: das unverzichtbare „Pfarrzeug“ ist ein preiswerter Mietwagen, und die Pfarr-Wohnung steht nur von September bis Juni zur Verfügung - in der Hauptsaison wäre sie unbezahlbar.

All das stellt hohe Anforderungen an die Kreativität und Toleranz der Seelsorger und ihrer Ehepartner. Sie legen weite Strecken bis zu den Enden der Insel zurück, um alle Gläubigen zu erreichen. Sie können nicht auf eine Gemeindestruktur zurückgreifen und müssen täglich improvisieren.

Pfarrer i.R. Ernst Schiller legt 2004 den Grundstein der Aufbauarbeit, arrangiert sich mit dem katholischen Amtsbruder und bekommt die Friedhofskapelle zur ganzjährigen Nutzung zugewiesen. Ihm folgt Pfarrer i.R. Christian Reich, der mit dem orthodoxen Bischof einen Gemeindesaal für Gottesdienste im Osten vereinbart. Er zaubert, singt und holt die Musik in die Kapelle von Heraklion. Er prägt den Slogan: Die Kirche muss zu den Menschen gehen.

Die Saat fällt auf guten Boden. Die rührige Gruppe evangelischer Christen auf Kreta betreibt aktiv Öffentlichkeitsarbeit, macht auf sich aufmerksam in den Medien und beim Kirchenamt der EKD. Seit 2005 gibt es eine eigene Website, so dass Anwohner und Urlauber den Weg zur Kirche finden. Pröpstin i.R. Malve Lehmann-Stäcker konzipiert den „Inselboten“, einen regelmäßigen Gemeindebrief. Sie initiiert ein Frauenfrühstück und wirbt aktiv um Mitglieder, zunächst für die Muttergemeinde Athen.

Das Kirchenamt der EKD und die Gemeinde Athen raten der Gemeindegruppe Kreta dringend zur Gründung eines eingetragenen Vereins. Es ist die einzig mögliche Rechtsform in Griechenland. Die Gruppe Kreta soll eigenverantwortlich handeln, aber zunächst will niemand etwas davon wissen. Ein mühsamer Prozess der Meinungsbildung beginnt. Schließlich akzeptiert die Gemeinde die Notwendigkeit eines Leitungsgremiums und wählt Wolfgang Schmädeke zum Sprecher. Gemeinsam mit Propst i.R. Dr. Otmar Hesse beginnt er die Arbeit an einer Vereinssatzung. Sie wird im Herbst 2009 verabschiedet. Zugleich wird ein sechsköpfiger Vorstand gewählt. Der Auftrag lautet: Werbung der erforderlichen Gründungsmitglieder und Vorbereitung der Vereinsgründung bis zum Frühjahr 2010. Mit Pastor i.R. Gerhard Jacobs kommt ein neuer Seelsorger, er wird von seiner Ehefrau Dorothée tatkräftig unterstützt. Gemeinsam arbeiten sie am begonnenen Aufbau weiter. Ein halbes Jahr später ist es erreicht, am 20. März 2010 wird die Gründung vollzogen. Die Muttergemeinde Athen entlässt Kreta in die Selbständigkeit und überträgt alle Mitgliedschaften und das kleine Gemeindeguthaben an die neuen Verantwortlichen. Die lernen nun mühsam den Umgang mit der griechischen Bürokratie, bekommen schließlich die gerichtliche Zulassung, eine griechische Steuernummer, Stempel, Briefpapier und eigene Bankverbindungen...

Nach einem Jahr, am 20. März 2011, gibt es keine rauschende Geburtstagsfeier, aber ein kurzes, dankbares Innehalten. Wir üben noch immer unsere finanzielle Selbständigkeit sowie die Organisation und Arbeitsteilung im Vorstand. Zu unserer großen Freude hat Ehepaar Jacobs beschlossen, ein weiteres (drittes) Jahr auf Kreta Dienst zu tun. Erfreulich ist auch die spürbare Mobilisierung kreativer Kräfte in der Gemeinde und die ermutigende Ausstrahlung der Sozialarbeit. Nicht ohne Stolz verweisen wir auf die positive Mitgliederentwicklung.