Wartestation statt "Tor zur Freiheit"

Im Januar kommen die ersten Asylbewerber im Grenzdurchgangslager Friedland an

10. Januar 2011

Irak-Flüchtlinge im Grenzdurchgangslager Friedland

Der evangelische Lagerpastor und Chef der Inneren Mission, Martin Steinberg, stellt sich im Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen auf neue Aufgaben ein. "Da kommt eine Menge Vermittlungsarbeit auf uns zu", sagt er. Spätaussiedler werden sich dann das Lagergelände mit den Flüchtlingen teilen. Rund 150 Asylsuchende sollen im ersten Quartal kommen. "Wir erwarten traumatisierte Menschen", sagt Steinberg.

Die Atmosphäre im Lager werde sich ändern. "Der Status derjenigen, die jetzt kommen, ist völlig unsicher." Sie hätten Auflagen, dürften den Landkreis nicht verlassen, erhielten Gutscheine für Kleidung und hätten kaum eigenes Geld, zählt Steinberg auf. Nicht mal zehn von hundert Flüchtlingen können mit einer Anerkennung rechnen. "Das ist brutal", sagt der Pastor.

Bei den Spätaussiedlern ist das anders. Sie haben ein klares Ziel vor Augen. Nach dem Bundesvertriebenengesetz dürfen fast alle in Deutschland bleiben. Im Lager führen sie ein geregeltes Leben, das morgens um acht Uhr mit Integrationskursen beginnt. Für sie ist das Grenzdurchgangslager noch das "Tor zur Freiheit", das es nach dem Zweiten Weltkrieg für Hunderttausende von Flüchtlingen und Heimkehrern aus der Kriegsgefangenschaft war.

Der Grenzdurchgangslager ist daher auch weltweit bekannt. Es wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der britischen Militärverwaltung als Auffanglager für Hunderttausende von Flüchtlingen, Vertriebenen und Soldaten, die auf der Suche nach Angehörigen oder einer neuen Bleibe waren, eingerichtet. Das Lager war später Zuflucht für Flüchtlinge aus der DDR und nach dem Aufstand von 1956 auch für Flüchtlinge aus Ungarn, später überwiegend für Spätaussiedler aus der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten.

Bis zum Frühjahr 2010 lief in dem Lager die Aufnahme irakischer Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien. Von dort wurden sie nach einem festgelegten Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Die EU-Innenminister hatten im November 2008 beschlossen, bis zu 10.000 irakische Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien aufzunehmen. Deutschland hatte dabei die Bereitschaft zur Aufnahme von 2.500 Menschen erklärt.

Erst im Sommer waren die letzten verfolgten und im Rahmen des Resettlement-Programms in Deutschland aufgenommenen irakischen Christen aus dem Grenzdurchgangslager verabschiedet worden. Lagerleiter Hörnschemeyer erzählt, dass nun aktuell wieder zunächst Iraker kommen: "Da haben wir schon Erfahrungen, was die Kultur und die Sprache angeht." Die Betten für Asylsuchende sollen im Laufe der Zeit aufgestockt werden. Insgesamt könnten dann 350 Libanesen, Afghanen, Afrikaner und Iraner untergebracht werden, sagt Hörnschemeyer.

Im Grenzdurchgangslager sei man gut vorbereitet auf die neuen Aufgaben, resümiert er. "Wir wollen deutlich machen, dass Asylsuchende hier willkommen sind, unabhängig vom Ergebnis ihres Asylverfahrens." Und auch Pastor Steinberg freut sich auf die Arbeit mit den Flüchtlingen, obwohl er weiß, dass nicht alle von ihnen eine Chance in Deutschland bekommen werden. "Wenn wir von 100 Menschen nur fünf ein neues Leben geben können, hat sich die Arbeit gelohnt." (epd)