Punkt für Punkt ein Leseerlebnis

Blinde können Bücher und Internetseiten lesen

03. Januar 2011

Braille-Schrift

1825 hatte Louis Braille als 16-Jähriger seine neuen, ertastbaren Buchstaben ausgetüftelt. An diese geniale Erfindung, die zum weltweit meistverbreiteten Blinden-Alphabet wurde, erinnert der Internationale Tag der Brailleschrift am 4. Januar, seinem Geburtstag.

Aus sechs Punkten bestand die Schrift, mit der in Kombination mit Leerstellen das Alphabet nachgebildet werden konnte. "Damit war Bildung für Blinde und Sehbehinderte überhaupt erst möglich , sagt Lehrer Achim Lang, den Brailles System fasziniert. Lang unterrichtet an der Stuttgarter Betty-Hirsch-Schule. Sie gehört zur evangelischen Nikolauspflege, der nach eigenen Angaben größten Seh- und Blindeneinrichtung Baden-Württembergs.

Mit den Blindenbuchstaben konnten nun Bücher gedruckt werden. Diese haben jedoch das Vier- bis Fünffache an Gewicht und Umfang zum normalen Buch. Außerdem hat sich Braille für Blinde lesbare Musiknoten, Mathematik- und Chemiezeichen ausgedacht. Tastend müssen sich blinde Grund- und Förderschüler das Relief-Alphabet erarbeiten, erläutert Lehrer Lang. Deshalb wird an der Schule der Tastsinn intensiv trainiert. Es sei schwierig, die Schrift zu lernen. Deshalb dauere der Grundschulunterricht in der Nikolauspflege fünf Jahre. Hinzu komme, dass das Lesetempo langsamer sei als bei der Schrift für Sehende.

Die Schüler der Nikolauspflege lernen die Euro-Brailleschrift. Sie besteht aus acht Punkten, also zwei Punkten mehr als die Original-Brailleschrift. Damit haben sie 254 Kombinationsmöglichkeiten statt der 64, die Louis Brailles Schrift bot. Sie können damit nicht nur Bücher lesen. Auch Zugang zum Internet ist kein Problem. So gibt es PCs für Blinde, die den Text vorlesen. "Das funktioniert wie ein Navigationsgerät", erklärt Lang. Außerdem gibt es spezielle Rechner mit der Braille-Zeile. Aus acht Stiften bestehen sie, die in Reihen auf dem Computer angebracht sind. Jede Reihe kann einen Buchstaben auf dem Bildschirm als fühlbare Blindenschrift darstellen.

Doch das World Wide Web hat seine Tücken. Verknüpfungen, Werbung oder Buttons werden nicht gelöscht und machen es für Blinde schwierig, den Netztext zu entziffern. "Am besten lesbar ist ein reiner Fließtext wie etwa eine Word-Datei", berichtet Lang. Inzwischen gibt es sogar Tageszeitungen in Internet- und Punkte-Fassungen. Diesen Service nutzt auch Lang, der per Braille-Zeile seine Zeitung abruft. Der Lehrer schätzt daran, dass "es keine Fotos gibt und damit keine Ablenkung". Braille selbst hat den Siegeszug seiner Erfindung übrigens nicht miterlebt. Am 6. Januar 1852 starb er an Tuberkulose. Sein Schriftsystem wurde 1879 in Deutschland eingeführt. (epd)