Synode in Hannover eröffnet

Kritik an der Atompolitik und Debatte über Präimplantationsdiagnostik

08. November 2010

Präses Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der EKD. (Foto: ekd.de)

Kritik an der Atompolitik der Bundesregierung und eine Debatte über die ethische Bewertung der Präimplantationsdiagnostik (PID) haben den ersten Tag der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bestimmt. Zu Beginn der Jahrestagung am Sonntag in Hannover forderte der amtierende Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider eine Energiepolitik, die nicht auf Atomkraft setzt. Erneuerbaren Energien gehöre die Zukunft.

Angesichts des Castor-Transports nach Gorleben kritisierte der hannoversche Bischofsvikar Hans-Hermann Jantzen im Eröffnungsgottesdienst eine Vorfestlegung auf den Salzstock im Wendland als Endlager für Atommüll.

Bundespräsident Christian Wulff betonte in einem Grußwort an das Kirchenparlament die Bedeutung des christlichen Glaubens für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Der Katholik Wulff stellte die christlichen Wurzeln Deutschlands heraus und betonte die "innere Kraft der Kirchen". Insbesondere lobte er die kirchliche Sozialarbeit in katholischer Caritas und evangelischer Diakonie.

Der rheinische Präses Schneider verwies in seinem Bericht an die Synode auf die ungelöste Frage der Endlagerung von Atommüll. "Für mich übersteigt die Dauer der Strahlung der einzulagernden Brennelemente das dem Menschen gegebene Maß an Verantwortungsmöglichkeit", sagte Schneider, der in Hannover für die nächsten fünf Jahre zum Ratsvorsitzenden gewählt werden soll. Seit dem Rücktritt von Margot Käßmann Ende Februar übt er das Amt kommissarisch aus. Das Kirchenparlament tagt bis Mittwoch, die Wahl zum Ratsvorsitz ist für Dienstag geplant.

Bereits am Sonntagabend stellten sich zwei Kandidatinnen für eine Nachwahl zum Rat vor. Nachdem bei der Wahl vor einem Jahr im Ulm ein Platz im Leitungsgremium unbesetzt geblieben und Käßmann nach vier Monaten zurückgetreten war, blieben zwei Sitze zunächst vakant. Edeltraud Glänzer (54), Hauptvorstandsmitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, und die Mainzer Theologieprofessorin Christiane Tietz (43) stellen sich am Dienstagmorgen den 126 Mitgliedern der Synode und der Kirchenkonferenz, der Vertretung der 22 Landeskirchen, zur Wahl.

Präses Schneider sprach sich für eine neue Debatte in der EKD über die PID aus. Im Interesse von Eltern, die an schweren Erbkrankheiten leiden, sollte die ethische Diskussion neu aufgenommen werden. Bislang hatte sich der Rat der EKD strikt für ein Verbot der PID ausgesprochen. Es wäre allerdings zu einfach, bisherige Beschlüsse als in Stein gemeißelt anzusehen, sagte der amtierende Ratsvorsitzende.

Schneider sagte, es sei zu kurz geschlossen, "wenn mit absoluter Gewissheit postuliert wird: Geburtenverhütung, pränatale Diagnostik, künstliche Befruchtung und die Präimplantationsdiagnostik pfuschen Gott ins Handwerk und negieren das Bekenntnis zu Gott als dem Schöpfer". Der rheinische Präses betonte, er empfinde Sympathie für Eltern, die die PID als Hilfe ansehen. Neben der Not der Eltern müsse allerdings besonders die Situation der Frauen in den Blick genommen werden. Ihm sei allerdings bewusst, wie schwer es wäre, Grenzen festzuschreiben und in der Praxis durchzuhalten.

In der anschließenden Debatte wurden die unterschiedlichen Position zur Embryonendiagnostik deutlich. Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich unterstrich seine Position, dass die PID verboten werden sollte, weil Grenzen nicht einzuhalten seien. Auch Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt stellte heraus, wie schwierig es sei, schwere Erbkrankheiten zu definieren, für die eine Diagnostik erlaubt werden könnte. Der kurhessische Bischof Martin Hein verwies auf die Spannbreite innerhalb der evangelischen Kirche bei ethischen Urteilen und warnte vor Zeitdruck in der Debatte über PID. Die württembergische Synodale Eva Glock warnte, PID trage zur Aussortierung von Leben bei, das nicht der Norm entspreche. Synodenmitglied Joachim Klasse empfahl, bei einem Verbot die Folgen im Hinblick auf die Verhinderung von Spätabtreibungen und einen möglichen PID-Tourismus ins Ausland zu bedenken.

Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor ihrer Einpflanzung in den Mutterleib gentechnisch untersucht. Die Diagnostik soll eine Selektion von Embryonen und damit zuvorderst die Weitergabe genetischer Erbkrankheiten verhindern. Mit ihr können aber auch das Geschlecht und weitere Merkmale von Embryonen bestimmt werden. Eine Neuregelung steht an, weil der Bundesgerichtshof im Juli das bisherige Verbot gekippt hatte. Die Regierungskoalition strebt deshalb eine Gesetzesinitiative an.

(epd)