Das Lächeln des Engels und der Jungfrau

Zum dritten Mal wurde die Martin-Luther-Medaille der EKD verliehen, diesmal in der altehrwürdigen St. Lorenzkirche zu Nürnberg

02. November 2010

Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider (re.) ehrte Astrid Hahn, die ehemalige Leiterin der Albertville-Realschule in Winnenden (2.v.re.), die Mäzenin Barbara Lambrecht-Schadeberg (M.) und die Schulleiterin Cornelia Schäfer (li.). (Foto: epd-Bild)

Erst muss Hans Sachs zur Ruhe kommen, dann kann der feierliche Akt beginnen: Pünktlich um 20 Uhr läuft die kleine Figur des berühmten Dichters des16. Jahrhunderts aus ihrem Gehäuse an hoch oben an der Schwalbennestorgel der St. Lorenzkirche zu Nürnberg und lässt sein Glockenspiel hören. Dann nimmt die Verleihung der Martin-Luther-Medaille der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ihren Lauf.

Zum dritten Mal wurde sie verliehen und nach Berlin 2008 (Preisträger: Klaus Peter Hertzsch) und 2009 (Richard von Weizsäcker) standen 2010 drei Frauen im Mittelpunkt: Astrid Hahn, die ehemalige Schulleiterin der Albertville-Realschule in Winnenden; Barbara Lambrecht-Schadeberg, Unternehmerin und Mäzenatin aus Krombach und Cornelia Schäfer, Schulleiterin der evangelische Schule in Erfurt. Die drei Preisträgerinnen sind in ganz unterschiedlicher Weise mit dem Thema Bildung verbunden, dem Jahresthema der Lutherdekade, die 2010 unter dem Leitwort „Reformation und Bildung“ steht.

Bei der Übergabe der Auszeichnungen vor der großartigen Kulisse des schwebenden „Engelsgrußes“ von Veit Stoß vor dem festlich geschmückten Altar der mächtigen Lorenzkirche erinnert der Vorsitzende des Rates der EKD, Präses Nikolaus Schneider, daran, dass kirchliches Engagement nicht als Selbstverständlichkeit angesehen werden könne und deshalb entsprechend gewürdigt werden solle. Deshalb habe der Rat der EKD „als öffentlich wahrnehmbares Zeichen der Würdigung von herausragendem Engagement für den deutschen Protestantismus“ beschlossen, jährlich bis zum Reformationsjubiläum 2017 mit der Martin Luther-Medaille Menschen zu würdigen, die haupt- oder nebenamtlich ihre Kraft, ihre Zeit und ihre Leidenschaft in herausragender Weise in den Dienst ihrer Kirche gestellt haben und stellen.

Als öffentlich wahrnehmbares Zeichen der Würdigung von herausragendem Engagement, so Schneider weiter, dokumentiere die Medaille, dass eine lebendige, einladende Gestalt von Kirche des Engagements ihrer Mitglieder bedürfe, und dass das Engagement für die Kirche unterschiedliche Formen und Gestalten annehmen könne. Dann zitierte der Ratsvorsitzende das berühmte Worte Martin Luthers, die auf der Medaille selbst eingeprägt sind und die da lauten: „Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind’s noch nicht, wir werden’s aber. Es ist noch nicht getan oder geschehen, es ist aber im Gang und im Schwang. Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg.“

Bevor Schneider zur Übergabe schritt, ermunterte er die vielen hundert versammelte Gäste der Feier zum Applaus: „Jetzt dürfen Sie klatschen!“ – was dann auch reichlich geschah. Zuvor hatte sich das die große Festgemeinde in der ehrwürdigen Lorenzkirche nicht recht getraut, obwohl der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein gemeinsam mit seiner Frau Marga Beckstein den drei Preisträgerinnen eine herzerfüllte, warme und ausführliche Laudatio hielt (siehe unten) und Johannes Friedrich, bayerischer Landesbischof und Mitglied des Rates der EKD, in seinem geistlichen Wort luzide die Verbindung Luthers und Melanchthons zu Nürnberg und der Reformation herausstellte und allgemein zum Eros der protestantischen Bildung festhielt: „Es geht nicht nur darum, Menschen zu bilden, sondern darum, Menschen zu Menschen zu bilden.“ Deshalb sei mit Bildung nicht ausschließlich die Vermittlung von Kenntnissen und von Wissen gemeint, sondern, so Friedrich: „Bildung im christlichen, im reformatorischen Sinne ist neben der Wissensvermittlung immer auch ,Herzens-, Wesens- und Wertebildung‘“. Den entscheidenden Unterschied formulierte Friedrich so: „Wissen allein vermehrt die Kenntnisse, die ein Mensch haben kann. Bildung dagegen lehrt mit Wissen umzugehen und es zum Wohl der Gesellschaft und zum eigenen Wohl einzusetzen.“

Umrahmt und eingebettet war die Verleihung der Medaille in wunderbare Musik. Auf diesem Felde traten Lorenzkantor Stefan Ank und seine Kantorei herausragend in Erscheinung. Wunderbar interpretierten die Musikerinnen und Musiker die romantische Motette „Es gibt keinen anderen Grund, der gelegt ist“ von Albert Becker (1834-1899), deren Text gekonnt auf die Laudatio der Becksteins respondierte, in der dieser Satz an wichtiger Stelle zitiert worden war. Außerdem zeigte Ank beim liturgischen Orgelspiel sein außergewöhnliches, beeindruckendes Können. Bei der „Und-wenn-die-Welt-vor-Teufel-wär-„Strophe von „Ein feste Burg“ hatte man ob der grandios erregten Begleitung wahrlich für einen Moment die Angst, der Erdkreis könnte erschüttert werden! Wunderbar fügten sich auch Teile der Messe F-Dur von J.S. Bach sowie kurze Orgelwerke von Carl Orff, die die bewegenden Danksagungen der drei Preisträgerinnen unterteilten, in den Gesamtverlauf.

Am Ende hatte man den Eindruck, als wäre über die ernst-konzentrierten Gesichter der Jungfrau und des Engels Gabriels- freischwebend im Raum und umgeben von den 55 Blüten des Rosenkranzes – ein warmes, frohes Lächeln gehuscht.