Schutz für Flüchtlinge in Europa gefordert

Kirchliche Asylrechtstagung mahnt einen „gerechten Verteilmechanismus“ innerhalb der EU an

28. Oktober 2010

Foto von einem Boot mit kurdischen Flüchtlingen im Oktober 2003 vor der Küste von Sizilien.  (Foto: epd-Bild / Romano Siciliani)

Angesichts der dramatischen Situation an ihren Außengrenzen sei die EU gefordert, Flüchtlingen einen Zugang zu einem effektiven Schutz vor Verfolgung zu gewährleisten. Das erklärten 41 Expertinnen und Experten europäischer Kirchen aus 16 EU-Staaten zum Abschluss der 13. Europäischen Asylrechtstagung in Palermo. „Es ist ein eklatanter Verstoß gegen die Menschenrechte, dass täglich Flüchtlinge auf hoher See auf ihrem Weg nach Italien nach Libyen zurückgeschoben werden“, so Kirchenrat Rafael Nikodemus, Flüchtlingsbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland. Oberkirchenrat Thorsten Leißer, Referent der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Menschenrechte und Migration, ergänzte zudem: „Eine Kooperation mit Staaten wie Libyen – sei es durch einen Mitgliedstaat oder durch die EU – unterhöhlt das europäische Asylsystem.“

Die Fluchtwege werden immer gefährlicher. Italien hat Libyen mit Patrouillenbooten ausgestattet, die mit gemischt libysch-italienischer Besatzung die Flüchtlingsboote aufspüren und nach Libyen zurücktransportieren. Libyen wiederum inhaftiere Flüchtlinge und schiebe diese in die südlichen Anrainerstaaten ab. „Täglich sterben Menschen auf der Flucht in der Sahara oder bei dem Versuch, das Mittelmeer zu durchqueren“ beschreibt die Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Landeskirche in Baden Annette Stepputat die aktuelle Situation an der Südküste Italiens.

Flüchtlinge aus dem Meer zu retten, ist äußert gefährlich für Fischer im Mittelmeer. Wer Menschen auf dem Meer hilft, riskiert Haftstrafen bis zu 15 Jahren. Dabei verpflichtet das internationale Seerecht dazu, Menschenleben zu retten.

Wie schwierig der Zugang zu einem effektiven Schutzsystem und die Gewährung von Unterstützung ist, zeige auch der Fall der am Dienstag angekommenen 128 Bootsflüchtlinge in Catania auf Sizilien. Wie die kirchlichen Expertinnen und Experten berichten, seien zunächst die Flüchtlinge in einer Turnhalle inhaftiert worden – unter ihnen laut „Save the Children“ auch viele Minderjährige. Unabhängigen Hilfsorganisationen sowie dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR werde bislang der Zugang zu den Festgenommenen verwehrt.

Verbesserungen erhoffen sich die Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen von dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. „Nur mit einer gerechten Verantwortungsteilung bei der Aufnahme von Asylsuchenden kann Europa seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen und seiner humanitären Verantwortung gerecht werden“, so Oberkirchenrat Thorsten Leißer. Solange ein effektiver Zugang zu einem fairen Asylverfahren wie beispielsweise in Griechenland nicht gewährleistet sei, müsse eine  Überstellung von Asylbewerbern in einen solchen EU-Staat unterbleiben. „Vor diesem Hintergrund hoffen wir, dass das Bundesverfassungsgericht in dem am 28. Oktober verhandelten Fall Wege aufzeigt, um in solchen Fällen effektiven Rechtsschutz in Deutschland zu gewähren.“

Derzeit ist derjenige EU-Staat zur Aufnahme von Asylbewerbern verpflichtet, der für seine Einreise verantwortlich ist. Hierdurch wird die Verantwortung an die Peripherie Europas verlagert. Die Praxis in den Staaten an der Außengrenze der EU zeige überdeutlich, dass ein gerechterer Verteilungsmechanismus bitter nötig ist, so EKD-Referent Leißer. „Sonst machen wir uns mitschuldig, wenn Mitgliedstaaten wie Italien versuchen, sich der Flüchtlinge zu entledigen,“ betonten die Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen.