„Man muss sein Geld nicht horten“

Gemeinnützige Stiftungen im Aufschwung

18. Oktober 2010

Foto von einem Kunstprojekt der Künstlerin Jenny Holzer im Auftrag der EKHN-Stiftung. (Foto: epd-bild / epd Hessen / Jenny Holzer, member Artists Rights Society)

Jeden Tag werden in Deutschland fünf Stiftungen für gemeinnützige Zwecke gegründet. Nach Schätzungen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen werden aus Stiftungen und Spenden pro Tag zehn Millionen Euro für Projekte und Initiativen für benachteiligte Familien, für Sterbenskranke, Behinderte oder Gestrandete ausgegeben. Wer schenkt, fühlt sich offenbar besser - und er spart Steuern.

Die Anlässe und Motive für das Spenden und Stiften sind sehr unterschiedlich. Manche, die Geld geben, haben geerbt, andere hatten Glück mit Aktien. "Sie sind dankbar und wollen etwas abgeben", sagt Bernd Kreh. Sein Job ist es, für die "Stiftung Diakonie in Hessen und Nassau" Geld zu beschaffen.

"Ich habe eine Stiftung gegründet, weil ich irgendwann finanziell für den Ruhestand ausgesorgt hatte", berichtet dem epd eine hessische Frau Ende Fünfzig. Wie so viele Spender legt sie darauf Wert, anonym zu bleiben, und möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. "Man muss sein Geld nicht horten", findet sie.

Zwar stehe die Stiftung, die armutsbedrohte Kinder und Jugendliche unterstützt, noch am Anfang ihrer Arbeit. Aber die Gründerin weiß schon jetzt: "Der Ertrag, den man bekommt, heißt Zufriedenheit." Die Stiftung sei nur ein kleines Unternehmen, aber "man kann sein Pflänzchen wachsen sehen".

Die "Stiftung Diakonie in Hessen und Nassau" ist eine der bundesweit 181 Stiftungen der evangelischen Wohlfahrtsverbände. Die Summe von 250.000 Euro, die die Diakoniestiftung bei ihrer Gründung vor fünf Jahren zur Verfügung hatte, ist mittlerweile auf über vier Millionen Euro angewachsen. Ab einem Startkapital von 25.000 Euro kann grundsätzlich jeder Bürger eine Stiftung gründen. Auf diese Weise sind in den vergangenen fünf Jahren unter dem Dach der Diakonie-Stiftung zwei Stiftungsfonds und elf Stiftungen entstanden. Sie alle fördern soziale Zwecke.

Wer sein Geld an ein Projekt geben möchte, hat zwei Möglichkeiten. Er kann Geld zum Stiftungskapital dazugeben, also "zustiften", wie es im Fachjargon heißt. Von den Zinsen, die das Geld dann abwirft, wird das Projekt finanziert. Er kann aber auch Geld spenden. "Spenden müssen zeitnah eingesetzt werden und unterstützen direkt das betreffende Projekt", erläutert Kreh.

Zustiftungen bis zu einer Million Euro können bei der Steuererklärung als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Der zugestiftete Betrag kann über zehn Jahre verteilt steuerlich abgesetzt werden. "Im vergangenen Jahr haben Privatpersonen Geld in Höhe von 950.000 Euro geschenkt", erläutert Kreh. Selten seien die Stifter vermögende Leute, die Summen beliefen sich meist auf 1.000 bis 5.000 Euro.

"Gerade kleinere Stiftungen haben einen immensen Verwaltungsaufwand, unter dem die Projekte leiden", sagt Kreh. Daher übernimmt das Diakonische Werk für die Stiftungen die Verwaltungsarbeit und die Sammlung von Spenden. Außerdem leistet es Rechtsberatung bei der Gründung und kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit.

Über 80 Prozent des Stiftungskapitals werden in festen Wertpapieren angelegt. "Es wird nicht nur sicher, sondern auch gut angelegt", sagt Kreh. Die Bank dürfe mit dem Geld weder Kinderarbeit noch Rüstungsgeschäfte unterstützen.

Stiftungen greifen laut Kreh gesellschaftliche Probleme oftmals schon auf, bevor die Politik einen Handlungsbedarf erkennt. Als sich zum Beispiel die Zahl verwahrloster Säuglinge in Hessen gehäuft habe, habe die Diakonie das staatlich geförderte Projekt "Familienhebamme" öffentlich bekanntgemacht. Mit Erfolg: Inzwischen kümmerten sich 165 speziell ausgebildete Hebammen in Hessen um Eltern und Kinder in schwierigen und belasteten Familien.

"Dennoch können Stiftungen nicht alles auffangen", sagt der Mittelbeschaffer Kreh. "Der Staat darf nicht aus seinen Pflichten entlassen werden." Aber das Gute bei Stiftungen sei, dass man fördern könne, was man möchte: "Und das bürgerschaftliche Engagement schafft wiederum Druck auf den Staat. (epd)