Freiheit zum Schreiben

Das internationale Projekt "Städte der Zuflucht" unterstützt politisch verfolgte und unterdrückte Autoren

29. September 2010

Teilnehmer einer Tagung der Städte der Zuflucht

Tauben gelten als Friedensboten. Doch Pegah Ahmadi schreckt zusammen, als eine Taube am Frankfurter Dom vor ihr aufflattert. Angst ist noch immer allgegenwärtig im Leben der iranischen Dichterin. Proteste gegen Präsident Mahmud Ahmadinedschad werden gewaltsam unterdrückt, ihre Freunde im Iran können ihres Lebens nicht mehr sicher sein. Ihre gesellschaftskritischen Texte darf Ahmadi in ihrer Heimat nicht mehr veröffentlichen.

In Frankfurt am Main hat die 1974 geborene Autorin eine vorübergehende Zuflucht gefunden. Sie hat ein Stipendium des "Internationalen Netzwerks der Städte der Zuflucht", kann nun frei arbeiten.

Das Netzwerk rettet nicht Schriftsteller aus Gefängnissen, beantragt auch kein Asyl für sie. Die 32 Städte und Regionen der Zuflucht bieten Autoren, die verfolgt, bedroht oder bei der Veröffentlichung ihrer Werke behindert werden, sichere Aufenthaltsorte, Arbeitsstipendien und Publikationsmöglichkeiten.

Frankfurt am Main ist eine dieser Städte. Für zwei Jahre stellt das Kulturamt jeweils einem Autor eine Wohnung zur Verfügung und bezahlt die Krankenkasse. Die Frankfurter Buchmesse kommt mit 1.300 Euro für den Lebensunterhalt auf, und "litprom", die "Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika", kümmert sich um die Betreuung des Schützlings. Vor Ahmadi fanden in Frankfurt die Autoren Faradsch Sarkuhi (Iran), Vasil Bykov (Weißrussland), Horacio Castellanos Moya (El Salvador) und Carlos A. Aguilera (Kuba) Aufnahme.

Schon 1994 hatte das Internationale Schriftsteller-Parlament, eine Gegenbewegung zum Internationalen P.E.N., auf Anregung seines damaligen Präsidenten Salman Rushdie das Programm "Städte der Zuflucht" ins Leben gerufen. Rushdie hatte mit seinem 1988 veröffentlichten Buch "Die Satanischen Verse" islamische Fundamentalisten gegen sich aufgebracht. Wegen eines Mordaufrufs musste er regelmäßig seinen Aufenthaltsort im Exil wechseln.

Im Jahr 2005 jedoch war die Pariser Verwaltung der Organisation bankrott. Zum Glück hatte der damalige "litprom"-Chef Peter Ripken rechtzeitig den geistesverwandten Helge Lunde aus dem norwegischen Stavanger kennengelernt. Die beiden gründeten ab 2006 das "Internationale Netzwerk der Städte der Zuflucht". Die Arbeit konnte weitergehen. Von Anfang an wurde nun auch die Schriftstellervereinigung P.E.N. mit einbezogen.

"Das war mir ganz wichtig", sagt Ripken, der die Erfahrungen der P.E.N.-Kollegen mit erprobten Menschenrechts-Programmen wie "Writers in Prison" und "Writers in Exile" zu schätzen weiß. Die Stadt Stavanger bot eine Infrastruktur mit vier Büros und anderthalb Stellen an.

Ripken ist derzeit Vorsitzender des Netzwerks. Eine Aufgabe, die den umtriebigen Literaturförderer voll in Anspruch nimmt. Derzeit wird etwa mit Buenos Aires und mit Lübeck verhandelt, wo sich die Stadtväter noch nicht darüber im Klaren sind, ob sie das Projekt finanziell stemmen können.

Nürnberg hat abgewinkt: "'Writers in Exile' ist für die Stadt als Image-Pflege kostengünstiger, weil die Bundesregierung das P.E.N.-Programm unterstützt", urteilt Ripken sarkastisch. Sechs deutsche Großstädte, darunter Hamburg, München, Köln und Berlin, nehmen für P.E.N. ebenfalls exilierte Autoren auf. Wer sich als Stadt der Zuflucht engagieren will, muss 2.000 Euro Mitgliedsbeitrag für das Netzwerk zahlen und die Wohn-, Kranken- und Lebenshaltungskosten für die Autoren selbst tragen.

Dennoch sind etwa in Norwegen neben Stavanger und Oslo neun weitere Städte dabei. In Stockholm engagiert sich das Kulturamt, in Weimar hat sich immerhin schon ein Unterstützerverein gegründet und in Ravensburg eine private Initiative. Hannover ist bereits Stadt der Zuflucht, ebenso wie Mexiko-Stadt, Amsterdam, Brüssel und Barcelona.

Vor allem Autoren aus dem Irak und Iran profitieren von dem Programm. Auch aus Afghanistan und Bangladesch kommen viele Anfragen. Nach Angaben von Ripken bitten immer mehr verfolgte Schriftsteller das Netzwerk um Hilfe.

Der Iraner Faradsch Sarkuhi, Frankfurts erster "Zufluchts"-Stipendiat, lebt noch immer am Main: als Korrespondent für Übersee-Medien. Und Pegah Ahmadi kann sich auch schon auf Deutsch verständigen. (epd)