Klagen mit Kehle und Klangkörper

Die Uraufführung von Uri Caines "Lamentations" widmet sich den Klageliedern Jeremias

13.09.2010

Foto des amerikanischen Komponisten und Jazzmusikers Uri Caine. (Foto: vjp/www.i-arts.net)

Die Bassklarinette heult auf, die Flamencosängerin singt mit kratzig-rauer Stimme, Bögen ratschen auf Gambenholz auf und ab. So klingen die Klagelieder des biblischen Propheten Jeremias, wenn der amerikanische Jazzmusiker Uri Caine sie für das 21. Jahrhundert vertont. Die "Lamentations" wurden am Freitagabend im Rahmen des Musikfestes Stuttgart uraufgeführt.

Drei sehr unterschiedliche Sängerinnen interpretieren die Klagelieder: Cristina Zavalloni singt mit ihrer klassisch ausgebildeten Stimme nicht nur eindrücklich auf englisch und hebräisch emotionale Klagetexte, sondern ahmt auch mit Lauten das Gejagtsein eines Vogels nach oder seufzt tieftraurig in ihr Mikrofon.

"Recuerda mi" - "Gedenke doch, wie ich so elend und verlassen, mit Wermut und Bitterkeit getränkt bin!"- singt die andalusische Sängerin Carmen Linares auf Spanisch. Die Melodie und ihre raue Stimme erinnern an Trauergesänge aus biblischen Zeiten. "Tatsächlich gibt es eine Verbindung zwischen Flamencomusik und jüdischer Musik," sagt Komponist Caine. Oft erinnere Flamenco an die "Kina", die jüdische Form zu klagen.

Wenn die Soul- und Gospelsängerin Barbara Walker mit ihrer intensiven Stimme davon singt, wie junge Männer und Frauen gnadenlos getötet werden, "without mercy", verbreitet die Hollywoodschauspielerin eine Traurigkeit, die das Publikum berührt.

Auch die Instrumente klagen. So verdeutlicht etwa der Bassklarinettist Achille Succi die Finsternis, in der sich der Dichter befindet, oder heult in den höchsten Tönen wie ein weinendes Baby. Die Klagelieder des Jeremias in der Bibel kreisen um die Trauer über die Zerstörung der Stadt Jerusalem, aber auch um die bedrückende Situation der Israeliten, die ins Exil verbannt wurden.

In seinen 22 Stücken der "Lamentations" spielt Caine auf die kunstvolle literarische Form der hebräischen Klagelieder an: Deren Kapitel sind in 22 Strophen jeweils mit 22 aufeinander folgenden Buchstaben des hebräischen Alphabetes geschrieben. Dieses rund 2.500 Jahre alte Zeugnis der Trauer ist nach Ansicht des Komponisten auch heute sehr aktuell: Die Klage über die Ungerechtigkeit in der Welt. (Text: epd / Bild: vjp/i-arts.net)