Eine Kirche für Hawaresk

Evangelische Kirchen aus Deutschland leisten Hilfe für die kleinste Minderheit im Irak

10. August 2010

Foto vom Fest bei der Grundsteinlegung in Hawaresk mit dem armenisch-apostolische Bischof des Irak, Awak Assadourian. (Foto: privat)

Gleißendes Sonnenlicht taucht die Landschaft in ein blendendes Beige. Die abgeernteten, endlos erscheinenden Felder bieten einen trostlosen Anblick. Zwischen den sanften Hügeln blinkt in der Ferne hellblau der Tigris hervor. Obwohl die Sonne noch längst nicht ihren Höchststand erreicht hat, ist es schon brennend heiß.

Weit im Nordwesten des Irak liegt das Dorf Hawaresk. Es ist Sonntagmorgen. Alle 115 Familien des Ortes haben sich vor der Ruine der ehemaligen Schule versammelt. Viele der Jugendlichen tragen Pfadfinderuniform. Die Älteren sitzen unter einem großen Zelt und warten auf den Beginn der anstehenden Zeremonie. Aus den Nachbardörfern kommen Ehrengäste in verwegen wirkender kurdischer Tracht hinzu.

Hawaresk ist ein Flüchtlingsdorf – und es erlebt seine zweite Entstehung.  Anfang des vergangenen Jahrhunderts war es von Überlebenden des Genozids der Türken an den Armeniern in ihrem Reich gegründet worden. Eine kleine Gruppe hatte sich in den Irak retten können, der damals zum britischen Herrschaftsgebiet gehörte. In der dünnbesiedelten Provinz Kurdistans fanden die armenischen Christen Zuflucht und bilden seitdem die kleinste der Minderheitengruppen im Zweistromland. 1975 kam es erneut zur Vertreibung. Im Rahmen seiner Arabisierungspolitik löste das Baath-Regime die Christendörfer auf und zerstreute die Armenier über das Land bis hinab nach Basra. Doch diesen gelang es, ihre Identität zu bewahren.

Seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 kommt es im Irak zu andauernden Übergriffen und Gewalttaten. Die Gewalt trifft alle Bevölkerungsgruppen, auch die muslimische Mehrheit. Aber die Minderheiten sind seitdem weiterhin besonders betroffen: Christen, Yeziden, Mandäer. Viele sind in die arabischen Nachbarstaaten geflohen. Andere finden im selbstverwalteten kurdischen Teil des Iraks Zuflucht.

2006 kamen so wieder Armenier nach Hawaresk. Sie flohen aus Basra, Bagdad, Kirkuk und Mosul. In der Ruine der ehemaligen Schule und den Resten eines kleinen Militärstützpunktes fanden sie eine erste Zuflucht. Später errichtete die nordirakische Regionalregierung einfache Häuser – das Dorf entstand erneut. Mit Hilfe der bayrischen und der württembergischen Landeskirche wurden in den letzten Jahren eine Bäckerei, eine Schule und ein Gewächshaus errichtet.

An diesem Sommersonntag stand nun ein wichtiges Fest an: die Grundsteinlegung für eine Dorfkirche. Der armenisch-apostolische Bischof des Irak, Awak Assadourian, ist angereist und steht trotz der Hitze in vollem Ornat vor den Fundamentgräben. Vor ihm stellen sich 16 Männer mit Grundsteinen auf: sie tragen die Namen der 12 Apostel und der vier Evangelisten. Auch zwei Vertreter der beiden Landeskirchen sind dabei, denn auch diesen Bau fördern die deutschen Protestanten. Jeder der Steine wird in Wasser und Wein gewaschen, mit heiligem Öl gesalbt und feierlich gesegnet. Dann steigen die Männer nacheinander in die Gräben und legen mit Hilfe der jungen Pfadfinder die Steine.

In der Schule feiert die Kirchendelegation, der auch Vertreter aus Hessen-Nassau, dem Kanton Zürich und der EKD angehören, dann mit den Dorfbewohnern gemeinsam die Grundsteinlegung, die hilft, an der alten Stelle wieder neue Heimat zu finden. Alle wissen, dass noch viel zu tun bleibt: vielen fehlt es an Arbeit, Hawaresk liegt abseits, die Stadt ist fern, die politische Lage ist weiterhin unsicher. Aber die Kirche hilft, Wurzeln zu schlagen und zu bleiben. Und die deutschen Gäste freuen sich schon: bei ihrem nächsten Besuch wird die Kirche fertig stehen.