Schießt das Geld die Tore?

Experten aus Kirche und Sport diskutierten bei einer Veranstaltung des FC St. Pauli und der Evangelischen Akademie Bad Boll

09. August 2010

Foto von Bernd-Georg Spieß, FC St. Pauli; Götz Vollmann, Instituts für Fußball und Gesellschaft; Thies Gundlach, EKD Kirchenamt; Urs Willmann, Die Zeit; Simone Buchholz, Autorin; Thomas Schneider, Deutsche Fußballliga DFL.

Mit Spannung wird die neue Saison der Fußballbundesliga erwartet: Am 20. August geht es wieder los. Die Anzahl der verkauften Sitzplatzkarten hat einen neuen Rekordstand erreicht. Die gesellschaftliche und mediale Wahrnehmung steigert sich ebenso von Jahr zu Jahr und heftet sich an die Fersen der vermeintlichen Helden.

Angesichts täglich neuer Transfermeldungen fragen sich Fans alle Jahre wieder: Reicht es diesmal für einen vorderen Platz oder versinken wir wieder einmal im Mittelmaß oder haben sogar Schlimmeres zu befürchten? Denn schließlich entscheiden Sieg oder Niederlage über Wohl oder Wehe. Vereinsführung und Management betonen, dass das Geld eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielt und manche meinen sogar, dass Geld letztlich die Tore schießt. Aus diesem Grund scheint eigentlich schon heute klar, wer wieder ganz vorne mit dabei ist und wer nicht. Aber die Frage bleibt: Wenn der Kommerz stimmt, stimmt es auch mit dem sportlichen Erfolg?

Unter der Überschrift „Fußball in Verantwortung“ fragten Referenten aus Kirche und Sport „Wie viel Kommerz kann der Fußball sich leisten?“ Eingeladen hatten für die Tagung im Stadion am Millerntor die Evangelischen Akademie Bad Boll und der Bundesligavereins FC St. Pauli gemeinsam.

Wie viel Kommerzialisierung kann sich ein Verein eigentlich leisten, wenn er nicht Gefahr laufen will, seine eigene Identität zu verlieren? Ein Verein – auch ein Profifußballverein – ist mehr als ein Unternehmen. Ein Verein hat Verantwortung gegenüber seinen Spielern, seinen Fans, gegenüber den Menschen in seiner Stadt und darüber hinaus. Ein Verein ist auf Werte gegründet, ist Teil des öffentlichen Lebens und gestaltet dieses mit, in dem er zu bestimmten Werten auch öffentlich steht, oder es nicht tut. Es ist eben nicht egal, ob ein Verein Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Rassismus aktiv bekämpft, oder nur auf die Vereinsstatuten verweist. Es ist nicht egal, ob ein Verein sich seinen sozialen Aufgaben in seiner Stadt und Region stellt, oder sich abkapselt. Und es ist nicht egal, ob ein Verein eine Kultur des Miteinanders und der Transparenz pflegt, oder von autokratischen Entscheidern geführt wird.

Im letzten Jahr haben wir es erlebt, dass für einen Moment die Frage um Sieg oder Niederlage in den Hintergrund trat: Der Suizid von Robert Enke  provozierte Fragen an den Profifußball und stieß dabei eine Debatte an, die sich mit Werten beschäftigte – im Fußball, im Sport und weit darüber hinaus in unserer Gesellschaft. Der Präsident des Deutschen Fußballbundes, Theo Zwanziger, appellierte an die Vereine, Tabus im Fußball aufzubrechen. Werden wir eine Bundesligasaison 2010/2011 erleben, in der wir nicht nur schönen Fußball und spannende Spiele sehen, sondern darüber hinaus erkennbare Zeichen entdecken, dass die Profifußballvereine ihre gesellschaftliche und soziale Verantwortung wahrnehmen? Das wäre zu wünschen!

In einer Zeit, in der unsere Gesellschaft sich zunehmend in unterschiedliche Milieus aufteilt, hat der Fußball immer noch die große Chance, ganz unterschiedliche Menschen zusammenzubringen. Neben dem 1:0 und dem gelungenen wirtschaftlichen Coup sollte dies ebenso ganz oben auf der Agenda jeder Vereinsführung stehen. Ideen zur Umsetzung für ein lebendiges Miteinander gibt es viele – die evangelische Kirche steht als Partner dafür bereit. So wies Oberkirchenrat Thies Gundlach vom Kirchenamt der EKD bei der Podiumsdiskussion im St. Pauli-Stadion darauf hin, dass Erfolg sich letztlich nicht machen oder kaufen lasse, sondern auf ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren gegründet sei. Stadionkapellen wie es sie in Berlin, in Frankfurt und auf Schalke gibt, seien deshalb gute und wichtige Orte. Sie könnten dazu beitragen, dass sich Spieler und Verantwortliche eines Vereins für diese Art von Unverfügbarkeit öffnen, um ihr Leben und ihre eigene Leistung im Gespräch mit Gott zu relativieren.