Bauer ohne Frau?

Herausforderungen für eine moderne Ehe auf dem Land

04. August 2010

Gehöft mit Reetdach in Worpswede, Niedersachsen

Wie sehen Junglandwirte ihre künftige Partnerin? Clemens Dirscherl ist Beauftragter für agrarsoziale Fragen des Rates der EKD - er macht sich Gedanken darüber, womit junge Landwirte bei den Frauen punkten können und welche Herausforderungen eine moderne Ehe auf dem Land bereithält.

Warum gibt es eine Sendung „Bauer sucht Frau“, aber nicht „Bäcker oder Lehrer oder Polizist sucht Frau“? Warum ist es für die Öffentlichkeit so faszinierend wie unterhaltsam, sich mit der Partnersuche von mehr oder weniger beziehungsfähigen oder -unfähigen Junggesellen aus einer bestimmten Berufsgruppe zu befassen: nämlich der Landwirtschaft. Wohl auch, weil Landwirtschaft mehr ist als nur eine Wirtschaftsbranche, sie ist auch Lebensform. Und da gehört die Familie untrennbar dazu. Ohne Frau scheint es aus mit der bäuerlichen Familie. Aus mit dem landwirtschaftlichen Familienbetrieb, wie er seit jeher zum agrarpolitischen Leitbild und als Idylle einer heilen Welt stilisiert wurde. Deshalb ist der Bauer ohne Bäuerin wohl auch so unvorstellbar – gerade in einer Zeit, in der immer mehr junge Männer wie Frauen als „Single“ ihr Leben einrichten.

Traditionell ist die Ehefrau des Bauern eine Bäuerin. Man heiratete eine Bauerntochter, möglichst mit hauswirtschaftlicher Ausbildung. Dann wusste man, was man hat: eine Frau, welche die Lebens- aber auch Wirtschafts- und Arbeitsform Landwirtschaft kannte; die wusste, dass neben Haushalt, Kindererziehung, womöglich Pflege der Altenteiler und Garten auch die Mitarbeit im Stall, auf dem Hof und dem Feld erwartet wurde. Wie so oft, ist der gesellschaftliche Wandel auch hier verspätet in der Landwirtschaft angekommen. Das Rollenverständnis der Frauen hat sich gravierend verändert. Bauerntöchter wählen heute aus vielfältigen Ausbildungsmöglichkeiten und Berufsperspektiven aus. Und selbst, wenn man in die Landwirtschaft einheiratet, reduziert man sich selbst nicht auf das traditionelle Rollenbild der Bäuerin.

Aber auch bei den jungen Männern aus der Landwirtschaft sind die gesellschaftlichen Emanzipationsprozesse der letzten Jahrzehnte nicht spurlos vorübergegangen. Sie haben oftmals bereits eine Müttergeneration erlebt, welche ein modernes Frauenbild verkörperte. Und sie sehen sich und die Landwirtschaft nicht mehr als „closed job“, ihren Hof als  „Schutz- und Trutzburg“ gegen gesellschaftliche Entwicklungen, sondern wollen als Berufsgruppe wie auch als Mensch am sozialen wie kulturellen Leben partizipieren.
Längst vorbei sind auch die Zeiten, wo man jeden Jungbauern sofort an seinem Aussehen erkennen konnte: kariertes Hemd, Cordhose oder altmodischer Jeansschnitt, grobes Schuhwerk und ungepflegtes Äußeres. Natürlich gibt es auch heute noch Landwirte, die diesem Bauernstereotyp entsprechen, weswegen sie auch so gerne in Comedyoder Unterhaltungssendungen wie „Bauer sucht Frau“ als Klischee, eben Witzfigur, dargestellt werden. Umso mehr entwickeln junge Männer aus der Landwirtschaft ein Selbstbewusstsein, das solche Vorurteile ad absurdum führt. Längst haben sich die jungen Landwirte heute in ihrem persönlichen Auftreten den gleichaltrigen Geschlechtsgenossen anderer Ausbildungs- bzw. Berufsgruppen angepasst: gegeltes Haar, Strähnchen ins Haar gefärbt, flotte Jeans, markengängige Shirts, Ohrringe oder gar Piercings, Halskettchen und Armbändchen; und wenn sie am Abend ausgehen, dann umgibt sie nicht Stallgeruch sondern ein Duftwässerchen – eben alles wie es dem Zeitgeist für ein „cooles Auftreten“ von Teenies oder Twens entspricht.

Immer wieder wird über die jungen Bauern gemunkelt, dass das Hofdenken auch heute noch so ausgeprägt sei, dass sie danach ihre Partnerwahl ausrichten würden: eben eine Bauerntochter, vielleicht gar eines auslaufenden Betriebes mit Quote, Fläche, vielleicht Bauerwartungsland und vor allem großem Einsatz für den künftigen Hof. „Liebe vergeht – Hektar besteht“, mit diesem Spruch können die heutigen jungen Bauern aber wenig anfangen. Im Gegenteil: sie sind äußerst flexibel, was der familiäre Hintergrund und die berufliche Ausbildung einer möglichen Partnerin betrifft. Frauen außerhalb der Landwirtschaft werden eher positiv beurteilt: als Chance, über den eigenen Horizont hinaus zu blicken, ein neues soziales Umfeld kennen zu lernen, die Selbstständigkeit der Frau außerhalb auch beruflich zu ermöglichen, um dadurch – und dann blitzt doch die bäuerliche Schlitzohrigkeit hervor – vielleicht auch ein zusätzliches Einkommensstandbein außerbetrieblich zu sichern.
Auch bei den persönlichen Eigenschaften, welche den jungen Landwirten an einer künftigen Partnerin wichtig sind, zeigt sich alles andere als eine patriarchalische Einstellung in enger hofzentrierter Orientierung. Der neue Typ des Landwirts hat Interesse an persönlicher Freizeitgestaltung, was Wochenendreisen oder kurze Urlaubstrips einschließt. Man möchte nicht mehr nur auf die Arbeit fixiert sein, sondern Zeit für Frau, Familie und Freunde haben. Insbesondere der Kinderwunsch ist bemerkenswert, weil mindestens zwei, wenn nicht sogar drei oder vier Kinder als realistische Lebensperspektive genannt werden – ein eklatanter Unterschied zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, wo repräsentative Befragungen bei jungen Menschen zwar auch eine hohe Familienorientierung als Lebensziel ergeben, jedoch der Kinderwunsch erheblich vorsichtiger geäußert und, wie die Geburtenziffern belegen, noch seltener realisiert wird.

Junglandwirte, die heute in die Zukunft schauen, sind im Hinblick auf ihre Partnerfindung ähnlich ausgerichtet wie ihre nichtlandwirtschaftlichen Altersgenossen. Dabei lässt sich ein deutlicher Wandel feststellen: weg von der betriebsfixierten Partnerorientierung, aber gleichzeitig die Erwartung, von der Frau beruflich akzeptiert und bei Gelegenheit auch mehr oder weniger im Betrieb praktisch unterstützt zu werden. Die jungen Landwirte suchen also eine Frau, mit der sie ihr Leben gemeinsam gestalten wollen – ähnlich wie es alle modernen Partnerschaften kennzeichnet.

Ob sich dies innerhalb der Landwirtschaft jedoch so einfach realisieren lässt, ist fraglich. Natürlich muss auch die Partnerin des Polizisten einen Schichtbetrieb akzeptieren, muss die Frau des erfolgreichen Mannes in der Wirtschaft ihr Privatleben an den Dienstreisen des Ehegatten ausrichten; gleichwohl gibt es in der Landwirtschaft doch noch mehr Bindungskonstellationen, welche das Zusammenspiel zwischen Bauer und Frau vor besondere Herausforderungen stellt: da sind die vielen Arbeitsspitzen und unkalkulierbaren Eventualitäten, wo eben doch die Frau nicht nur dem Mann den Rücken freihalten muss, sondern auch betrieblich zur Seite steht, gar mit einspringt, wenn es im Stall, auf dem Hof oder dem Feld „brennt“. Da sind die Schwiegereltern, die das Leben auf dem Hof in unterschiedlichem Maße mit beeinflussen: durch Mitarbeit, durch reine Präsenz oder gar Pflegebedürftigkeit.

Andererseits ergeben sich in der Landwirtschaft Chancen, eine Partnerschaft intensiver und identitätsstiftender zu gestalten als dies in anderen Berufsfeldern üblich ist: nämlich gemeinsam über die berufliche Zukunft nachzudenken, Lebensentwürfe als sinngebende Selbstentfaltung zu verstehen, tatsächlich „an einem Strang zu ziehen“ und sich gegenseitig bei Plänen kreativ zu ergänzen, über Erfolge gemeinsam zu freuen und bei Misserfolgen zueinander zu stehen. Alles, was einer Partnerschaft die richtige Tiefe geben kann.