Abschied von Loveparade-Opfern

Trauerfeier in der Duisburger Salvatorkirche

31. Juli 2010

Foto: Der rheinische Präses und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, zündet während des Gottesdienstes für die Opfer Kerzen (Foto: epd-bild / Friedrich Stark)

"Die Loveparade wurde zum Totentanz." Als Nikolaus Schneider, der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, am Samstagvormittag in der voll besetzten Salvatorkirche in Duisburg seine Predigt mit diesem Satz beginnt, läuft wohl vielen der Trauernden in dem evangelischen Gotteshaus ein kalter Schauer über den Rücken. "Mitten hinein in ein Fest überbordender Lebensfreude hat der Tod uns allen sein schreckliches Gesicht gezeigt", fügt Schneider hinzu. Unter den Gästen sind auch rund 100 Angehörige und Freunde der 21 Todesopfer und mehr als 500 Verletzten der Massenpanik bei dem Musikevent vor genau einer Woche.

"Ruhig und würdig" sei die Trauerfeier in der gotischen Kirche, sagt ein Mitarbeiter des Malteser-Hilfsdienstes, der am Tag der Katastrophe im Tunnel Verletzten geholfen hatte. Viele der Trauergäste haben Tränen in den Augen, einige weinen mit vorgehaltenem Taschentuch, als der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in seiner bewegenden Predigt ausführt: "Es bleibt schwer, mit dem zu leben, was geschehen ist. Und doch bleibt etwas und geht weiter, was auch der Name Loveparade zum Ausdruck bringt. Die Liebe."

Betroffene Gesichter auch bei den aus Berlin angereisten Politikern. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schließt mehrfach die Augen, als Kerzen für die Toten entzündet werden. Bundespräsident Christian Wulff faltet die Hände. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hält im Anschluss an den Gedenkgottesdienst eine kurze Ansprache. Bevor sie ans Mikrofon am Altar tritt, verneigt sie sich kurz vor den flackernden Kerzen.

Kraft erinnert mit tränenerstickter Stimme daran, dass die Opfer "Gemeinsamkeit erleben" wollten. Sie dankt allen Einsatzkräften für ihre Hilfe nach der Katastrophe. Und dann macht sie deutlich, dass die Frage nach der Verantwortlichkeit und der Schuld beantwortet werden müsse und auch beantwortet werden wird.

In die Fürbitten werden die, "die Verantwortung tragen für das, was geschehen ist", mit einbezogen. "Gib uns Klarheit und Wahrhaftigkeit, um die Ursachen des Unglücks aufzudecken. Lass diejenigen, die an Schuld zu zerbrechen drohen, deine Barmherzigkeit erfahren", so ein Fürbitte-Sprecher. Über diese Worte gibt es bei den Trauernden draußen vor der Salvatorkirche durchaus geteilte Meinungen. "Das hätte nicht sein müssen, jetzt auch die Verantwortlichen für die Tragödie in die Gebete einzuschließen", sagt Katharina Wiemer.

Vor der weiträumig von Polizei abgesperrten Kirche drängen sich mehrere hundert Menschen, die keinen Einlass fanden, weil die Plätze im Gotteshaus den Angehörigen der Opfer und Rettungskräften vorbehalten waren. Die Übertragung des Gottesdienstes in das Duisburger Fußballstadion ist für manche Trauernde keine Alternative. "Ins Stadion gehe ich zum Jubeln, nicht zum Trauern", sagt Walter Schnitzler. In der wenige Kilometer entfernten Arena nehmen zeitgleich etwa 2.000 Menschen Abschied von den Toten der Loveparade.

Dort, wo sonst Tore der eigenen Fußball-Mannschaft bejubelt werden, herrscht während der Übertragung des Gottesdienstes aus der Salvatorkirche Stille und Anteilnahme. Viele der Menschen halten sich an den Händen. Auch hier fließen Tränen. Doch die meisten Sitzreihen sind leer, es kamen weit weniger als die erwarteten mehreren Zehntausend. "Die Stärke der Trauer und des Gedenkens ist unabhängig von Teilnehmerzahlen", sagt ein Notfall-Seelsorger.

In der Revierstadt herrscht an diesem Tag "normaler" Samstagsbetrieb. Die Geschäfte haben geöffnet. Einige Menschen tragen ein schwarzes Trauerband am Revers. In der Haupteinkaufsstraße verteilen junge Leute am frühen Nachmittag Flugblätter, in denen sie "Aufklärung und Bestrafung" für die Verantwortlichen des Desasters fordern.

Am Unglückstunnel auf der Karl-Lehr-Straße stehen zahlreiche Polizeibeamte. Einige 100 Menschen sind gegen Mittag dort, wo neben vielen Kerzen und Blumen als Zeichen der Anteilnahme auch ein Kranz der Bundesregierung liegt mit gelb-roten Blumen. Eine ältere Frau, die die Gottesdienst-Übertragung in einer der Kirchen verfolgt hat, wünscht sich, dass "jetzt auch die Angehörigen zur Ruhe kommen können". Dabei verweist sie auf die Predigt von Präses Schneider, der in seiner Predigt in der Salvatorkirche gesagt hatte: "Unsere Toten sind nicht tot. Der Totentanz wandelt sich zu einem großen Fest unzerstörbaren Lebens." (epd)