Wenn Pfarrer geistliche Stärkung brauchen

Theologisches Studienseminar Pullach feiert 50-jähriges Bestehen

19. Juli 2010

Theologisches Studienseminar Pullach

Pfarrerinnen und Pfarrer müssen predigen und managen, leiten und trösten. Doch wer bringt ihnen bei, die Balance zu halten zwischen Seelsorge und Management? Zwischen öffentlichem Amt und Privatleben? Das Theologische Studienseminar in Pullach, dreißig Kilometer südlich von München gelegen, bietet Theologen aus ganz Deutschland seit fünfzig Jahren Orientierung.

"In unseren Fortbildungskursen gehen wir der Frage nach, wie Pfarrer oder Dekane, Synodale oder Kirchenräte das Evangelium zeitgemäß verkündigen können", erklärt Rektor Matthias Rein. In den ein- bis zweiwöchigen Kursen sei Zeit und Raum, die tägliche Arbeit zu reflektieren und gesellschaftspolitische Fragen theologisch zu hinterfragen.

Der nüchterne Backsteinbau des Studienseminars, der 1960 auf einer Wiese am Ortsrand von Pullach errichtet wurde, galt lange Zeit als "Kaderschmiede" junger Pfarrerinnen und Pfarrer. Wer von seiner Landeskirche für den Vikarskurs in den Münchner Vorort geschickt wurde, sollte gezielt gefördert und gefordert werden. Oft folgte nach der Ausbildung im Studienseminar eine steile Karriere.

Solch ein Elitedenken gebe es in den Landeskirchen schon lange nicht mehr, erklärt Rein. Gleichwohl erkläre dies, warum im Studienseminar bis heute Themen rund um Leitung und Management eine wichtige Rolle spielen. Einmal im Jahr kommen Dekane, Superintendenten oder Pfarrer in herausgehobener Stellung, um zu lernen, mit ihrer leitenden Rolle umzugehen. Neben dem theologischen Rüstzeug geht es auch um ganz handfeste Ratschläge. Da werden Mitarbeitergespräche erprobt, Visitationsmodelle besprochen oder auch Tipps gegeben für eine gute Öffentlichkeitsarbeit.

Doch Management ist nur ein Teil des Angebots: Jeder Kurs, ob für Führungskräfte, Pfarrer oder Laien bietet auch "Raum für geistliche Besinnung und theologische Reflexion des Amtes", erklärt Studienleiter Rüdiger Gebhardt, der mitverantwortlich ist für das Kursprogramm. Überhaupt die Theologie: Ohne sie geht gar nichts in Pullach. Schließlich gehe es darum, die Eigentümlichkeiten der Organisation Kirche im Blick zu behalten.

"Viele Pfarrerinnen und Pfarrer sind überlastet und fühlen sich gestresst", ist die Erfahrung von Studienleiter Gebhardt. Ziel der Kurse sei es daher auch, den Menschen Kraft zu geben und Entspannung zu fördern: Mit einem Spaziergang am Isarufer, einer schönen Andacht oder einem Ausstellungs- oder Theaterbesuch in München.

"In den 1980er Jahren lautete das zentrale Bildungsthema Kompetenz, heute spricht man lieber von Qualität", sagt Rektor Rein und verweist damit auf die Notwendigkeit, sich als Bildungseinrichtung den Veränderungen des Marktes anzupassen. Gerade im Bildungsbereich bestehe derzeit die Gefahr, Kirche nur unter ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten. Doch könne man das Kerngeschehen von Kirche, die Verkündigung des Evangeliums, qualitativ kaum messen. Fördern könne man jedoch Begabungen und Stärken und die Vertiefung theologischer Kompetenz.

Die Fort- und Weiterbildung im Studienseminar lässt sich die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands rund 500.000 Euro jährlich kosten. Davon werden die beiden Theologen gezahlt ebenso wie elf Mitarbeitende, die größtenteils in Teilzeitarbeit für saubere Zimmer, gutes Essen und das allgemeine Wohlbefinden der jährlich rund 300 Kursteilnehmerinnen und Teilnehmer sorgen. Rektor Rein: "Wir verstehen uns ein wenig als Fährtensucher für kirchliche Themen." (epd)