Musik aus einer anderen Welt

Vor 150 Jahren wurde der Komponist Gustav Mahler geboren

07. Juli 2010

Foto von Gustav Mahler (Foto: epd-Bild / akg-images).

Er hat die Zerrissenheit des 20. Jahrhunderts vorweggenommen: Gustav Mahler (1860-1911), geboren vor 150 Jahren am 7. Juli 1860. Der Verzweiflung aber setzte der Komponist und Dirigent die Verheißung des Glücks gegenüber. Er hat Trost und Erlösung gesucht und manchmal gefunden: religiöse Musik ohne dogmatische Bindung.

Und damit, so scheint es, ist Mahler aktueller denn je. "Vieles deutet darauf hin, dass in unserer Zeit das große Vorbild Beethovens durch die Gestalt Gustav Mahlers abgelöst worden ist", urteilt der Musikwissenschaftler Constantin Floros in seinem kürzlich erschienenen Mahler-Buch. Mahler, aus der Musikwelt schon fast verschwunden, sei zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine zentrale Gestalt der Musikgeschichte, ein "Repräsentant der höchsten Ideale der Menschheit".

Der Dirigent Ingo Metzmacher, sehr vertraut mit der Musik des 20. Jahrhunderts, bekannte sich schon 2005 in seinem Buch "Keine Angst vor neuen Tönen" zur Musik Mahlers: "Sie wagt sich an den gewaltigen Versuch, diese Welt, dieses verrückte Leben und all unsere Erfahrung davon in Töne zu fassen. Sie offenbart sich uns, wie keine Musik vor ihr."

Gustav Mahler, als Sohn einer jüdischen Familie in dem böhmischen Dorf Kalischt geboren, wuchs in der Kleinstadt Iglau auf. Schon als Kind verblüffte er durch seine Musikalität. Nach Abitur und kurzem Studium wurde er 1880 im oberösterreichischen Bad Hall Kapellmeister. Damit begann eine 16 Jahre dauernde Odyssee durch deutsche und österreichisch-habsburgische Opernhäuser. Er dirigierte in Kassel, Leipzig und Hamburg, in Prag und Budapest.

1897 kam Mahler als Dirigent nach Wien und wurde im Herbst Hofoperndirektor. "Mahler brach wie eine Elementarkatastrophe über das Wiener Opernhaus herein", berichtete der Komponist Franz Schmidt. Er erneuerte das Orchester und das Sängerensemble, führte gemeinsam mit dem berühmten Bühnenbildner Alfred Roller auch Regie bei den Meisterwerken von Mozart und Wagner, die das Zentrum des Repertoires bildeten.

Gustav Mahler inszenierte nicht die Textbücher, so Roller, sondern die Musik. Einerseits wurde er gefeiert, andererseits immer wieder angefeindet - auch als Jude, obwohl er inzwischen Katholik geworden war. Zehn Jahre lang hielt Mahler die Strapazen der Operndirektion durch, bevor er ein Angebot der Metropolitan Opera in New York annahm.

Die letzten Wiener Jahre waren von Schicksalsschlägen verdüstert gewesen. 1907 starb seine Tochter Maria Anna, noch keine fünf Jahre alt. Seit 1902 war Mahler mit Alma Schindler verheiratet, eine schwierige Ehe. Später hat Alma, die 1964 starb, Walter Gropius und Franz Werfel geheiratet. Ebenfalls 1907 wurde bei Mahler eine schwere Herzkrankheit festgestellt. Er ließ sich aber in seiner Aktivität kaum bremsen, hat in den USA Opern und zahlreiche Konzerte dirigiert. Zurückgekehrt nach Wien starb er am 18. Mai 1911. Die Nachrufe würdigten den Dirigenten, kaum den Komponisten.

Mahler hatte von 1888 bis 1910 seine neun großen Symphonien und die unvollendete zehnte quasi nebenbei komponiert, im Sommer während der Theaterferien. Es ist ein Werk, das alle Dimensionen sprengt - in der musikalischen Form wie in der künstlerischen Aussage. Seinen Gipfel erreicht es in der Symphonie Nr. 8 für acht Soli, Chöre, großes Orchester und Orgel, genannt 'Symphonie der Tausend' nach der Zahl der Mitwirkenden bei der Uraufführung 1910 in München. Mahler vertonte den Hymnus "Veni Creator Spiritus" (Komm, Schöpfer Geist) und die Schluss-Szene aus Goethes "Faust II".

Der Tondichter Mahler war lange Zeit fast vergessen, auch wenn Komponisten wie Alban Berg oder Anton Webern sich für ihn einsetzten und sein Freund Bruno Walter (1876-1962) ihn immer wieder dirigierte. Die Renaissance begann erst um 1960, nach den Jahren der Verfemung während der Nazi-Diktatur. Heute steht Mahler in einer Reihe mit Bach, Mozart, Beethoven oder Schubert. (epd)