Lena, Begeisterung und Fußball

Es sind Menschen „wie Du und ich“, die etwas gut können: singen, predigen, Fußball spielen

11. Juni 2010

Lena im Fußball-Stadion mit Ball

„Ich bin Lena, ich bin 19 und ich komme aus Hannover. Und ich habe heute den Eurovision Song Contest gewonnen.“ Das war in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai in Oslo – und damit war alles gesagt. Eingekeilt zwischen Bodyguards und wild gewordenen Fans, fragewütigen Journalisten und all den anderen, die sich ein wenig im Licht des neu aufgegangenen Sterns sonnen wollen steht die Abiturientin und ruft: „Macht mal Platz, dass das Kind durch kann!“ Wenige Stunden später auf dem Flughafen in Hannover:  Ministerpräsident Christian Wulff überbringt Lena Meyer-Landrut die Grüße der Bundeskanzlerin. Mehr Worte müsse er nicht machen, denn die wartenden Fans – zehntausende an der Zahl – sagten „mehr als tausend Worte“. Und Lena wendet sich an die Fans: „Leute, ihr seid doch verrückt, es regnet, geht doch rein!“

Bilder und Sätze, denen sich kaum einer entziehen konnte, der seit Jahren diesen Europäischen Musikwettbewerb übersieht und sich gerade noch erinnern kann, dass Nicole mit ihrem Wunsch nach „ein bisschen Frieden“ vor 28 Jahren einmal gewonnen hat. Selbst wer überzeugt ist, dass es nach Bach, Beethoven und den Beatles keine hörenswerte Musik mehr gibt, kann dem „Satellite“ nicht entfliehen, denn für viele Nachrichtenmacher ist das die Top-Nachricht eines Wochenendes. Und 40.000 feiern in der Heimatstadt Lenas vor dem Rathaus, als ob die Fußballnationalmannschaft den Pott aus Südafrika mitgebracht hätte. Deutschland in Feierlaune, bis der Bundespräsident zurück tritt.

Wer kopfschüttelnd daneben steht, beklagt Lenas schlechte englische Aussprache, diskutiert, ob Lena in den Pressekonferenzen „rotzfrech“ oder „nur arrogant“ ist, und spottet, dass dies doch alles nur Mache des skrupellosen Produzenten Stefan Raab sei. Das mag alles stimmen – oder auch nicht –, aber es ist nicht Lena und auch nicht ihr Mentor die das machen, sondern es sind „wir“, die Gesellschaft, die Fans und die, die Lena nicht mögen, aber irgendwie doch sympathisch finden. Und die Unterschiede sind marginal zu den Frauen mittleren Alters, die beim Kirchentag in München einer 33 Jahre älteren Hannoveranerin zu jubeln, sie um Autogramme bestürmen oder ihr einfach nur mal ihre Lebensgeschichte erzählen wollen.

„Die Menschen brauchen eine Lichtgestalt,“ sagt ein Pädagoge aus dem benachbarten Hameln im Gespräch über die Schülerin, die gerade ihr Abitur geschrieben hat und doch damit noch nichts geleistet hat. Damit lässt sich allerdings der Rummel nicht ausreichend erklären, auch wenn im Wort „Star“ ein Gedanke des Lichts steckt. Es ist nicht nur Spiel und Spaß – bei Lena nicht und genauso wenig, wenn die „unsere“ Kicker mehr reißen als alle befürchten. Es sind Menschen „wie Du und ich“, die etwas gut können: singen, predigen, Fußball spielen. Sie machen daraus keinen Hehl, sondern stellen sich der Öffentlichkeit: Unverbogen, ohne Kalkül, ohne Verstellung. Positiv ausgedrückt: Authentisch! Das kommt aus dem Griechischen und bedeutet „echt“, „verbürgt“ oder eben „als Original befunden“: Frisch, unverbraucht und direkt – und dazu muss man nicht 19 Jahre jung sein.

Begeistert sind die Menschen von einer Abiturientin, die singen kann, von einer Theologin, die nicht mehr Bischöfin ist und hoffentlich von elf Freunden, die gemeinsam einem Ball nachlaufen. Begeistert sind die Menschen, weil da mehr ist als das Alltägliche in Politik und Gesellschaft. Begeistert sind die Menschen, weil sie in den Personen etwas sehen, was nicht zu beschreiben ist. Begeistert sind die Menschen, weil ihr Geist angesprochen ist – und das müsste all denen zu denken geben, die über den Heiligen Geist nachdenken.

Begeistert ist auch Peter Harry Carstensen, Ministerpräsident von Schleswig Holstein, der sagte: Wir haben nicht nur Lena, wir können auch Weltmeister werden."

Und begeistern können sich die Menschen ab heute, wenn die Fußball-WM „endlich“ beginnt. Und mehr als 2.200 Kirchengemeinden nutzen das Angebot der EKD, das ihnen ermöglicht, öffentlich und gemeinsam die Spiele zu beobachten.

Auch die Präses der EKD-Synode hat sich geoutet: "Ich bin bekennender Fußball-Fan", sagte Katrin Göring-Eckardt und hat prompt die Aufgabe einer Sonderbotschafterin bei der Frauen-Fußball-WM in kommenden Jahr übernommen.