100-jähriges Jubiläum der ersten Weltmissionskonferenz

Zur Erinnerung an das epochemachende Ereignis versammeln sich Ökumene-Experten im schottischen Edinburgh

02. Juni 2010

St. Mary's Cathedralin  Edinburgh  (Foto:epd-bild)

„Es ist eine erschreckende und zu ernsthaftem Nachdenken anregende Tatsache, dass auch jetzt im 20. Jahrhundert, der Große Auftrag Jesu Christi, das Evangelium der ganzen Menschheit zu bringen, noch immer weitgehend unerfüllt geblieben ist.“ So klang es, als man 1910 in Edinburgh über den Missionsbefehl nach Matthäus 28,18-20 nachdachte.

„Möge von dieser Konferenz der Ruf an die christlichen Kirchen überall in der Welt ausgehen, sich selbst wie nie zuvor der Fürbitte hinzugeben, denn nur dies allein wird die umfassenden Kräfte des Ewig-Einen für das erhabene Werk, der ganzen nicht-christlichen Welt das Evangelium zu bringen, hervorbringen, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, dem Herrn Jesus Christus. (…) Siehe ich bin bei euch alle Tage.“ Die erste Weltmissionskonferenz war deutlich von dieser Vision geprägt, dass die christliche Botschaft in absehbarer Zeit in jeden Winkel der Erde vordringen könne und die Bekehrung aller Menschen als bleibendes Ziel vor Augen stehen müsse.

Doch stand diese Konferenz nicht am Anfang der Missionsgeschichte, sie blickte vielmehr zurück auf heilvolle und unheilvolle Worte und Taten im Namen Gottes. Vor allem einen Irrweg wollte man sich von nun an verbieten: Statt in den Missionsgebieten von der einenden und heilenden Kraft Gottes zu zeugen, die Zersplitterung der christlichen Welt vorzuführen und zu reproduzieren, sich gegenseitig Konkurrenz zu machen auf dem Missionsfeld. Als Brüder wollte man sich vorstellen und gemeinsam für das eine Wort Gottes und für den einen Plan Gottes werben. Später kamen auch die Schwestern in den Blick, immerhin nahmen vom 2. bis zum 6. Juni 1910 in Edinburgh schon einige Frauen an den Sitzungen teil. Die ökumenische Gemeinschaft war geboren. Das Evangelium wird unglaubwürdig, wenn der Streit um seine rechte Auslegung, in alle Welt getragen wird – das war die zentrale Einsicht der ersten Weltmissionskonferenz. Nur wo Baptisten, Methodisten, Reformierte, Lutheraner und wie sie alle hießen und heißen mit einer Zunge sprechen, wird sich das Christentum ausbreiten können.

Edinburgh im Juni 2010: Die Welt ist bunter geworden, die Welt ist komplexer geworden, die Ausdifferenzierung der christlichen Familie hat sich weiter entwickelt. Und auch die Frage, welche Vision uns treibt, wenn wir uns in missionarischem Dienst an unsere Mitmenschen in der Ferne und in der Nähe wenden, erhält die unterschiedlichsten Antworten. Längst sind es nicht mehr die Vertreter des christlichen Abendlandes, die ausgehen in die fernen Winkel der Heidenwelt, längst ist Europa selbst zum größten und bedürftigsten Missionsfeld geworden.

Der Markt ist groß, dass er nicht zum Markt verkommt, ist eines der Anliegen der Treffen in diesem Jahr. „Edinburgh 2010“ ist nur eines der Feste, die zum Gedenken an und Nachdenken über die Konferenz von vor hundert Jahren einladen. Insgesamt wird es zwanzig ökumenische Versammlungen rund um den Erdball geben, die an den Meilenstein von 1910 erinnern. Doch deren größte und prominenteste findet dieser Tage in Edinburgh statt. Und warum sollte man nicht die Bitte von 1910 noch einmal wiederholen, dass viele sich der Fürbitte für eine glaubwürdige und versöhnte Mission der Kirchen in aller Welt „hingeben mögen“.