Pfingsten – Fest des Geistes

Der eine Geist Gottes verbindet alle Christen auf der ganzen Welt

21. Mai 2010

Wandmosaik mit Taube

Pfingsten zu Beginn des 21. Jahrhunderts live in Guatemala: Schon nach wenigen Minuten ist die etwa 300-köpfige Gemeinde schier außer sich und kommentiert jedes Wort des lautstarken Predigers mit Rufen wie „Halleluja, Ehre sei Gott“ oder „Jesus lebt“. Dann drängen die Menschen nach vorne, der Prediger legt ihnen die Hand auf, die Berührten zucken und fallen zu Boden. Die ganze Gemeinde scheint sich in der Trance zu befinden. Dazu dröhnend-poppige Lobpreismusik aus den Lautsprechern.

Eher kühle Mitteleuropäer sind verunsichert, denn sie wissen mit Phänomen wie dem Gottesdienst in einer Pfingstgemeinde nicht viel anzufangen. Noch misstrauischer werden sie, wenn sie erfahren, dass die Pfingstkirchen in Lateinamerika großen Zulauf haben und dass sie den Machthabern dort um einiges angenehmer sind als katholische oder lutherische Basisgemeinden. Denn die feiern nicht nur Gottesdienste, sondern stellen auch Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Reformen.

Trotzdem: Wer die biblische Pfingstgeschichte im 2. Kapitel der Apostelgeschichte des Lukas nachliest muss zugeben, dass die dortige Schilderung der Ausgießung des Heiligen Geistes in Jerusalem durchaus Berührungspunkte mit dem Gottesdienst einer Pfingstgemeinde hat, in dem es Zungenrede, Spontanheilungen und allgemeiner Verzückung gibt. Es heißt dort: „Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer (…) und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.“ (2, 2-4). Auch die Reaktion der Außenstehenden ist überliefert: „Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.“ (2, 12.13)

Es gab schon damals Kritiker impulsiver, überbordender Geisterfahrungen, und der eher kühle Mitteleuropäer ist dankbar, dass es auch andere Bilder von und andere Erfahrungen mit dem Geist Gottes gibt. Zur Sammlung der Bibeltexte, die zu Pfingsten in der evangelischen Kirche ausgelegt werden, gehört auch dieser: „So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht in Christus Jesus, hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.“ Er steht im Römerbrief des Apostels Paulus im 8. Kapitel, in dem Paulus das „Leben im Geist“ erörtert. Da ist nicht von Ekstase und Feuerzungen die Rede, sondern von einer Geisterfahrung, die ganz anders ist, als die kollektiven Geisterfahrung zu Pfingsten in Jerusalem.

Paulus führt den Menschen nach innen. Das „Gesetz der Sünde und des Todes“ ist für den Apostel ein Etikett der Grundverfasstheit der Welt und des menschlichen Lebens. Diese Welt, so Paulus, ist eben ein Ort, an dem gescheitert wird. Es ist ein Ort, an dem das „Gesetz der Sünde und des Todes“ wirkt. Dazu gehören große Katastrophen und tragische Unglücksfälle, dazu gehören aber auch die ganz normalen Lasten des Alltags, die jeden Menschen beschweren, mal mehr, mal minder. Dagegen wirkt für Paulus das „Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus“. Dies ist wiederum kein Gesetz oder Prinzip, das sich je und je vollzieht, sondern es ist ein Geschenk an alle Menschen, die auf Jesus Christus vertrauen. Alle, die dieses Geschenk annehmen, leben verändert und leben entlastet. Jedenfalls manchmal, nicht immer - denn Geschenke kann man nicht bestellen, sondern man muss sie sich eben schenken lassen.

Das Wirken des Geistes Gottes geschieht nicht nur durch Macht und Kraft, auch wenn die turbulente Pfingstgeschichte aus der Apostelgeschichte dies nahelegt. Gottes Geist wirkt und befreit häufig auch so wie es Paulus im Römerbrief als „Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus“ darlegt. Paulus sagt: Gottes Geist stärkt und tröstet den inneren Menschen. In diese Richtung verweisen auch andere biblische Geistworte, zum Beispiel das des Propheten Sacharja (4,6): „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der HERR Zebaoth.“

Gottes Geist und Pfingsten. Es gibt viele Erfahrungen dieses Geistes, die Skala reicht von mächtiger kollektiver Begeisterung bis hin zum steten Trost für den inneren Menschen. So überwindet Gottes Geist menschliche Grenzen, innere und äußere. Der eine Geist Gottes, so unterschiedlich er auch wirkt, verbindet alle Christen auf der ganzen Welt. Sie glauben, so hat es der Dichter Rudolf Alexander Schröder in der letzten Strophe seines bekannten Glaubensliedes ausgedrückt „den Geist der heilig insgemein lässt Christen Christi Kirche sein, bis wir von Sünd und Fehl befreit, in selber schaun in Ewigkeit.“ (Evangelisches Gesangbuch 184,5)