Zufallsfund unter Bauschutt

Evangelische Gemeinde in Jerusalem erhält Altar aus ehemaligem Syrischen Waisenhaus

19. Mai 2010

Entdeckung des Altars im ehemaligen Syrischen Waisenhaus in Jerusalem

Gil Gordon ist aufgeregt. Bald ist vollbracht, was der Architekt und Stadtplaner in Jerusalem seit Jahren plant: Das ehemalige Syrische Waisenhaus, das der evangelische Missionar Johann Ludwig Schneller (1820-1896) in der Heiligen Stadt errichtete, wird restauriert und einer neuen Bestimmung übergeben. 150 Jahre nach der Gründung wird das weitläufige Gelände in das angrenzende ultra-orthodoxe Stadtviertel Mea Schearim eingegliedert. Strenggläubige Juden sollen künftig hier wohnen, ihre Kinder zur Tagesbetreuung bringen und den jüdischen Gottesdienst zelebrieren.

Bevor das geschehen kann, muss der Altar der ehemaligen Kapelle aus dem Komplex gerettet werden. Dass der Sakralgegenstand im Hauptgebäude des Syrischen Waisenhauses entdeckt wurde, kommt einem kleinen Wunder gleich. Jahrzehnte lang war das Schnellersche Anwesen nicht zugänglich. Zuletzt diente es dem israelischen Militär als Kaserne.

Mit neun Kindern aus Syrien begann der württembergische Lehrer Schneller 1860 in Jerusalem sein Waisenhaus. Bis 1936 wurde daraus die größte Ausbildungseinrichtung für arme arabische Kinder im damaligen Palästina. In 80 Jahren bildeten die Schnellers 3.500 arabische Kinder zu christlichen Handwerkern aus. 1940 dann, als Deutsche von der britischen Mandatsverwaltung enteignet und des Landes verwiesen wurden, ging das Gelände an die britische Militärverwaltung über. Nach der Staatsgründung Israels 1948 wurden das Waisenhaus und seine Liegenschaften in die israelische Kaserne "Schneller Camp" umgewandelt. Seit das israelische Militär 2009 auszog, standen die mittlerweile baufälligen Gebäude leer.

Noch bevor das Anwesen an neue Investoren verkauft wurde, lud Stadtplaner Gordon den evangelischen Kirchengemeinderat in Jerusalem zu einer Besichtung ein. "Als wir die alte Kapelle im Hauptgebäude verlassen hatten, habe ich das Bild des Raumes noch einmal vor meinem inneren Auge vorbei ziehen lassen", erinnert sich Propst Uwe Gräbe von der deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Jerusalem. Der alte Gebetsraum - eine Müllhalde, begraben unter Bauschutt und Taubenmist. Ein alter Basketballkorb an der Orgelempore zeugt davon, dass der Raum einst als Sporthalle benutzt worden war.

"Da kommt mir diese Kiste in den Sinn", sagt Gräbe. "Eine große, schwere Kiste, so gut gezimmert, als befände sich darunter etwas, was es zu schützen gilt." Der Propst lässt nicht locker. Am nächsten Tag kommt der Stadtplaner zurück und öffnet die Verschalung. Und tatsächlich: "Ich konnte meinen Augen nicht trauen", berichtet Gordon. "Es war tatsächlich der Altar!" Anders als Kirchenfenster, Glocken und Orgel hatten die Protestanten den massiven Stein nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mitgenommen.

Dass der Altar nun ausgebaut wird, ist dem Verhandlungsgeschick des israelischen Stadtplaners zu verdanken. Seit Jahren beschäftigt sich Gordon mit dem Syrischen Waisenhaus. An der Universität in Haifa promoviert er über Schnellers Einfluss in Jerusalem. Parallel arbeitet er seit Jahren mit der Jerusalemer Stadtverwaltung an einem Bebauungsplan für das Gelände. Ursprünglich sollten große Teile des ehemaligen Waisenhauses abgerissen und die Brachflächen verkauft werden.

In einem zwölf Jahre währenden Kampf erreicht Gil Gordon, dass nun acht der zehn noch vorhandenen Gebäude unter Denkmalschutz gestellt und als öffentliche Gebäude für die ultra-orthodoxe Nachbarschaft restauriert werden. Mittlerweile wurde das Gelände an jüdische Baufirmen verkauft.

Nach dem Altarfund wandte sich Stadtplaner Gordon an die Jerusalemer Stadtverwaltung. "Dort befürchtete man, dass Extremisten unter den zukünftigen ultra-orthodoxen Besitzern den Altar als Götzenwerk und Zeugnis der christlichen Missionsarbeit im Heiligen Land ansehen und zerstören können", erklärt Gordon. Mittlerweile hat die Stadtverwaltung den Altar der evangelischen Gemeinde geschenkt - unter der Bedingung, dass er in Israel verbleibt und öffentlich ausgestellt wird.

Inzwischen ist der massive Stein ausgebaut und verpackt. In Kürze soll das zentnerschwere Relikt aus der evangelischen Missionszeit im Heiligen Land mit Hilfe eines Krans aus einem der Fenster des Hauptgebäudes gehievt und dann mit einem Lastwagen auf den Ölberg transportiert werden. Dort erhält der Altar im linken Seitenschiff der Himmelfahrtkirche der deutschen evangelischen Gemeinde seinen neuen Platz. (epd)

Die Versetzung des Altars gestaltet sich unerwartet schwierig. Dabei fallen zusätzliche Kosten an, für die die Gemeinde keine finanziellen Mittel hat.
Wir bitten daher herzlich um Spenden an die Evangelische Gemeinde deutscher Sprache zu Jerusalem, Konto 4107632 bei der Evangelischen Kreditgenossenschaft, BLZ 520 604 10 - Verwendungszweck: "Schneller-Altar".