Die Häftlingsnummer auf dem Unterarm

Jüdische KZ-Überlebende werden seit 50 Jahren von der christlichen Initiative "Zedakah" unterstützt

23. April 2010

Gästehaus des christlichen Werks »Zedakah in Israel

Viele der Gäste, die im israelischen Heim Schavei Zion ein paar Tage Erholung genießen, haben auf ihrem Unterarm noch die Häftlingsnummer tätowiert. Es sind Überlebende des Holocaust; Menschen, die den Barbareien der Nazis in Auschwitz, Dachau und anderen Konzentrationslagern entkommen sind. Das Erholungsheim gehört zur christlichen württembergischen Initiative "Zedakah - Liebeswerk Israel", die am 1. Mai ihr 50-jähriges Bestehen feiert.

Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Überlebende des Holocaust zu unterstützen. Dazu haben die Initiatoren in Israel für Juden ein Erholungsheim und ein Altenpflegeheim aufgebaut. Gleichzeitig wirkt die Initiative in Deutschland durch Konferenzen, Freizeiten und Vorträge antisemitischem und antiisraelischem Denken in christlichen Kreisen entgegen.

Erwin Kieser, Geschäftsführer des Vereins und Hausvater des Zedakah-Tagungszentrums in Bad Liebenzell-Maisenbach (Nordschwarzwald), schätzt, dass es heute noch 200.000 Holocaust-Überlebende in Israel gibt. Rund 500 können jedes Jahr kostenlos das Erholungsheim mit seinen 45 Betten nutzen, die Wartezeit beträgt drei bis vier Jahre. Auch das Altenpflegeheim mit 24 Plätzen in Maalot hat keinen Nachfragemangel, das Durchschnittsalter der Bewohner liegt bei rund 90 Jahren. Kieser schätzt, dass es noch rund zwanzig Jahre lang jüdische Überlebende des Naziterrors geben wird.

Die Initiative geht zurück auf den pietistischen Prediger Friedrich Nothacker von der Liebenzeller Mission. Er hatte - im Gegensatz zu vielen anderen Christen - schon in der Zeit des "Dritten Reichs" eine klare Sicht, dass der staatliche Judenhass in direktem Widerspruch zur biblischen Botschaft steht. Wer Israel angreift, tastet "Gottes Augapfel" an, zitierte Nothacker das Alte Testament. Und umgekehrt: "Wer Israel segnet, wird gesegnet."

Der Impuls, etwas für die Holocaust-Überlebenden zu tun und damit auch dem schwerst beschädigten Verhältnis zwischen Christen und Juden wieder auf die Beine zu helfen, kam von der Jüdin Helene Wyman. Sie war zum Glauben an Jesus Christus gekommen, hatte in der Zeit der Judenvernichtung über 70 Verwandte verloren und warb nun beim Ehepaar Nothacker dafür, den geschundenen Überlebenden Trost und Ermutigung zukommen zu lassen. Daraus ist schließlich der Verein mit seinen Arbeitszweigen entstanden.

Heute hat "Zedakah" - das hebräische Wort bedeutet Wohltätigkeit, Güte, Gerechtigkeit oder Barmherzigkeit - ständig 55 Mitarbeiter. Zwei Drittel von ihnen verpflichten sich nur für ein bis zwei Jahre. Oft sind es junge Erwachsene, die dieses Engagement zwischen Schule und Berufsausbildung einbauen; zehn junge Männer leisten jeweils ihren Zivildienst in Israel. Finanziert wird die Arbeit aus Spenden, im Jahr setzt der Verein mit den zwei Heimen in Israel und dem 70-Betten-Tagungszentrum in Maisenbach rund eine Million Euro um.

Dass es im Umgang mit Juden, die durch Deutsche schwer traumatisiert wurden, auf besondere Sensibilität ankommt, weiß die christliche Initiative. Man missioniere die Gäste nicht, sagt der württembergische Pfarrer Michael Wanner, der seit Herbst den Verein leitet. "Wir wollen durch Taten überzeugen." Geschäftsführer Kieser erläutert, welche Fallstricke einem in dieser Arbeit begegnen können. So hatte man in Israel eines Abends ein festliches Buffet vorbereitet und den Tisch mit gelben Servietten gedeckt. Das sorgte bei den Besuchern für größte Irritation - war es doch derselbe Farbton wie der "Judenstern", den sie zu Nazi-Zeiten tragen mussten.

In Israel hat sich "Zedakah" inzwischen ein großes Ansehen erworben. Vor zwei Jahren ehrte das israelische Sozialministerium die Initiative in einem Festakt in Jerusalem. Der Verein verzichtet auf jeglichen Zuschuss vom jüdischen Staat. Starken Rückhalt hat er dabei in der württembergischen Landeskirche, deren Gemeinden am sogenannten Israel-Sonntag für "Zedakah" ein Kollekte erheben können.

Auch wenn die Gruppe der Holocaust-Überlebenden aus Altersgründen immer kleiner wird, sieht der Verein auch für die Zukunft viel Arbeit. Geschäftsführer Kieser berichtet, dass man in der Kinder- und Enkelgeneration ähnliche seelische Schäden beobachtet wie bei den Nazi-Verfolgten. Von daher sei es durchaus möglich, dass man auch den Nachkommen Erholung in einem der Heime anbieten werde. Außerdem wolle man verstärkt bei jungen Menschen in Deutschland ein Bewusstsein für die belastete Geschichte und für eine biblische Sicht von Israel schaffen, erläutert der Vorsitzende Wanner. (epd)